
© Huizi Yao
Bei der Modenschau und Ausstellungseröffnung im Hallenbad Ost im Frühjahr 2024: Marc Köhler (Hallenbad Ost Events), David Zabel (Vorsitzender des Kasseler Kulturbeirats), Modedesignerin und Schnittdirektice Sophia Schneider-Esleben, Künstlerin Rana Matloub und Oberbürgermeister Dr. Sven Schoeller.
Nach Stationen in Hannover und Hamburg war Sophia Schneider-Esleben Gaststudentin an der Kunsthochschule Kassel für Textildesign und gründete 2015 ihr Eco Fashion Label Sophia Schneider-Esleben – SSE – Slow • Smart • Eco. Kürzlich stellte die Modedesignerin und Schnittdirektice ihre nachhaltige Sommer-Kollektion „Hommage 7“ vor, die in Kooperation mit der bildenden Künstlerin Rana Matloub entstanden ist. Der breiten Öffentlichkeit wurde die Kollektion in einer Ausstellung im Kasseler Hallenbad Ost präsentiert. Wir haben SSE zum Interview eingeladen, um mit ihr über Entwurfsprozesse, Modesprache und Slow Fashion zu sprechen.
Wie ist die Kooperation mit Rana Matloub entstanden?
Vor rund zehn Jahren hat uns unsere gemeinsame Freundin Nina Dunkmann, Kuratorin der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen, einander vorgestellt. Rana und ich waren quasi Nachbarn, nahe der Kunsthochschule, ich war neu zugezogen in Kassel. Als ich in Ranas Atelier war und ihre Arbeiten sah, kam Rana die Idee einer Zusammenarbeit, die nun endlich verwirklicht wurde. Rana Matloub hatte bereits 2014 in der Ludwiggalerie ausgestellt. Nina kenne ich aus meiner Studienzeit in Hannover.
Wie bist du zum Textildesign gekommen und was hat dein Großvater, der Architekt Paul Schneider-Esleben, damit zu tun?
2015 war die Modebranche noch nicht so sehr auf Nachhaltigkeit geeicht, ist sie bis heute nicht mit 4 % des Weltmarktes, zu der Zeit war es noch schwerer, schöne, smarte Stoffe zu finden. Und wenn man diese fand, hatten gleich fünf Labels auf einer Messe den gleichen Stoff, da diese auch nicht exklusiv sind. So kam mir die Idee, meine eigenen Stoffe zu designen. Die Initialzündung kam, als ich vor den Aquarellen meines Großvaters saß. Es gibt nichts Nachhaltigeres, als die eigene Familiengeschichte weiterzutragen.
Du referierst an Universitäten, an Schulen und auf Messen über die Missstände in der Modeindustrie als drittgrößtem Umweltverschmutzer und deine Kollektionen entstehen im Prozess von Slow Fashion. Was heißt das konkret für die Produktion deiner Kollektionen?
Slow Fashion bedeutet, dass sich diese von Fast Fashion absetzt. Die Slow Fashion-Industrie setzt sich für faire Löhne aller Textilarbeiter*innen in der Lieferkette ein, vom Bauern über die Weber, Stricker, Drucker und Schneider bis hin zum Knopf-, Reißverschluss-, Etiketten- und Garnhersteller. Es geht in meinem Design um Qualität und nicht um Quantität, gemäß meinem Motto: „Trage Verantwortung für das, was du trägst.“ Meine nachhaltigen Modekreationen sind eine Ode an die Kunst und an Diversität. Dick, dünn, groß, klein, aus verschiedenen Kulturen und vielfältigen Hintergrundgeschichten: Alle Körper sind wertvoll und sehen anders aus. Mode, die diese Verschiedenheit feiert, unabhängig von Maßen und Alter, das ist mein Anspruch. Wir streben nicht nach einem allgemeinem Schönheitsideal, sondern nach Wohlfühlen in der eigenen Haut, noch mehr, wenn Kleidung nachhaltig und aus fairen Bedingungen gefertigt wird, eine Hommage an die Menschen und Nachhaltigkeit.
Derzeit arbeite ich an einem Re-Fund-System, bei dem Kund*innen altgeliebte Kleidung zum Resell auf meiner Website schneider-esleben.com zurückgeben können. Bei erfolgreichem Weiterverkauf erhalten meine Kund*innen einen Gutschein für den nächsten Einkauf. Meine Modesprache besteht aus Design, Handwerk und Ökologie, cleveren Schnitten in puristischer Form, casual und business approved, non-seasonal, ageless und unisex und somit zeitlos. Eco Fashion ist die zweite Haut und kann smart & made in EU sein! Meine Kollektionen werden zu jedem Anlass getragen, meine Kunden sind Frauen wie Männer, Alt und Jung, tragen ihre Prints als Hochzeitskleid, zu Meetings, um sich stark zu fühlen oder casual zur Sonntagszeitung. Das ist smarte Mode. Da die Prints nicht platziert sind, sondern in einem Rapport fortlaufend, ist jedes Kleidungsstück ein Unikat und schont die Umwelt, da das Platzieren von Prints unnötig Stoff verschwendet. Meine Materialpolitik: Ich betreibe ein veganes Label, transparente Lieferketten, meine Partner und Lieferanten sind aus Deutschland & Europa.
Die von mir kuratierte Biobaumwolle wird in Polen gewebt, gestrickt und nach meinen Entwürfen bedruckt ohne Wasserverbrauch mit trinkbaren Biofarben. Alle Komponenten wie Stoffe, Garne, Knöpfe, Reißverschlüsse und Etiketten sind biologisch: sortenrein, vegan und GOTS zertifiziert, produziert in Litauen mit 100 % Frauenpower. Meine Kollektion ist kompostierbar, da ich auf Synthetics verzichte. Ein Kleidungsstück von mir reist vom Baumwollfeld in der Türkei bis zu meinen Kunden nur 3.500 km, anstatt 65.000 km wie in der konventionellen Mode. So reduziere ich bereits die CO2-Emissionen beim Transport aufgrund meiner regionalen Produktion in Deutschland, mit Verzicht auf Luftfracht. Meine Produktion ist transparent, da mein QR-Code in meine Artikel eingenäht ist. Meine Kunden landen auf meiner Website www.schneider-esleben.com/who-made-my-clothes, wo alle Angaben detailliert beschrieben sind: Material, Zertifizierung, Produktionsstätte & Waschanleitung. In meinem Atelier arbeite ich mit Ökostrom. Für meine Verpackungen verwende ich Recyclingpapier und nutze Pakete mehrfach. Für den Tierschutz verzichte ich zu 99 % auf tierische Produkte. So verwende ich Knöpfe aus Steinnuss, kommt Wolle zum Einsatz, ist diese RWS-zertifiziert (Responsible Wool Standard) oder recycelt und meine Kollektion ist somit PETA-vegan approved.

© Huizi Yao
Präsentiert wurde die Kollektion von Persönlichkeiten der Kasseler Stadtgesellschaft: Auch die Integrationsbeauftragte der Stadt Kassel Teslihan Ayalp (rechts) war dabei.
Und was sind deiner Meinung nach die größten Missstände in der Modeindustrie?
Zu wenig Aufklärung und Bewusstsein.
Du kooperierst mit Künstler*innen und es entstehen Fusionen aus Kunst, Mode und Nachhaltigkeit. Wie können wir uns diesen Prozess vorstellen?
Als Modedesignerin und Schnittdirektrice beherrsche ich die Komposition von Körpermaßen und Proportionen mit meinem Feingefühl für Materialien, Farben und Muster. In meinem Entwurfsprozess gilt es bei meinen Künstlerkooperationen, deren Werke auf meine formalen Figurinen zu übersetzen und grafisch anzupassen. Dann drapiere ich an der Schneiderpuppe, so entstehen meine Schnitte. Mit geschultem Blick sehe ich intuitiv, welche Patterns mit meinen Kollektionen fusionieren. Die von mir kuratierten Künstler sind stets kompatibel mit meiner ganzheitlichen Philosophie und deren Arbeiten inspirieren meinen innovativen Mix aus Materialien, Schnitten und Farbtrends, ob groß- oder kleinteilig, geradlinig oder zerlaufend, hell, dunkel oder pulsierend. Auf meinem digitalen Skizzenbuch experimentiere ich mit meinen Kollektionsentwürfen und den Proportionen der digitalisierten Kunstwerke. So transformiere ich Kunst in Mode. Im nächsten Schritt entstehen digital die finalen Rapporte, die sich immer wiederholenden Muster für den Stoffdruck. Hier lege ich fest, wie groß das Muster am Ende für den Stoffdruck sein wird, wie brillierend die Farben sind und ob die Werke grafisch angepasst werden müssen.
Wenn alle Parameter stimmen, werden die Dateien in Deutschland auf Bio-Baumwolle oder in Polen auf Bambus mit dem Inkjet-Reaktiv-Verfahren bedruckt mit trinkbaren Bio-Farben, farb- und lichtecht ohne Wasserverbrauch.
Hast du Vorbilder?
Vivienne Westwood.
Was bedeutet Glück für dich?
Meine Familie und mein Schaffen.