© Anja Köhne
Seit fünf Jahren ist Dr. Dirk Pörschmann Direktor des Museums für Sepulkralkultur. Er hat von Anfang an auf das Kuratieren von Wechselausstellungen gesetzt und hat damit große Erfolge. Seit 2017/2018 stellen sich sein Team und er der großen Herausforderung einer Neuausrichtung des Hauses. Ab dem Jahr 2025 wird das Museum für einen kompletten Umbau geschlossen. Wir haben Dr. Pörschmann zum Interview eingeladen, um mit ihm über die Neukonzeption und -ausrichtung des Museums, die Zeit des Umbaus und die Einzigartigkeit der Institution zu sprechen.
Sie sind Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e. V. und Direktor des Zentralinstitutes und Museums für Sepulkralkultur. Sind zwei Jobs nicht anstrengend?
Es sind ja nicht wirklich zwei Jobs: Es ist einer mit zwei Tätigkeitsfeldern. Dass diese Tätigkeitsfelder miteinander verbunden sind, hängt damit zusammen, dass der Verein, der 1951 gegründet wurde, Träger des Museums ist. Nach Gründung der Arbeitsgemeinschaft kam 1979 das Zentralinstitut hinzu und 1992 das Museum. Wir stehen bildlich gesprochen auf drei Beinen: Die Arbeitsgemeinschaft ist die Basis, dann kam das zweite Bein Forschung hinzu und das dritte Bein ist das Bein der Vermittlung und kulturellen Bildung in der Öffentlichkeit.
Ein Statement aus Ihrem Leitbild: Das Museum gibt seinen Besucher*innen Anstöße, das oftmals tabuisierte Generalthema „Tod“ mit Fachwissen, Forschung und Vermittlung, mit Verstand, Beharrlichkeit und auch Humor zu betrachten. Wie gelingt Ihrem Team und Ihnen das?
Wir sind ein Team mit ganz unterschiedlichen Expertisen, das sich intensiv mit den Entwicklungen der Sepulkralkultur, also den Friedhofs-, Bestattungs-, Trauer- und Sterbekulturen befasst. Wir schauen genau auf gesellschaftliche Entwicklungen. Von daher sind wir bis zu einem gewissen Grad in der Lage zu antizipieren, was auch in Zukunft eine Relevanz hat: Wir haben die historischen Quellen als Basis und begleiten die Gegenwart. Das ist eine Expertise, die sich über Jahrzehnte in dieser Institution herausgebildet hat und die von Journalist*innen und Besucher*innen wertgeschätzt wird.
Was sind die wichtigsten Themen der Grundlagenforschung des Zentralinstituts für Sepulkralkultur?
Zum einen haben wir eine Zentralbibliothek, die für Forschende offensteht, also Studierenden oder Forschenden, die zum Beispiel Dissertationen schreiben. Die kommen zu uns und können hier forschen und arbeiten. Wir haben die Kasseler Schriften zur Sepulkralkultur als Publikationsorgan, in dem wir Fachbeiträge zur Sepulkralkultur veröffentlichen – etwa zum Thema Baumbestattung. Zudem haben wir einen international besetzten Beirat für Grundlagenforschung, mit dem wir auf in der Forschung relevante Themen schauen, denen wir selbst nachgehen können.
Seit 2017 arbeiten Ihre Mitarbeiter*innen und Sie an der Neukonzeption Ihres Hauses. Welche Meilensteine sind schon erledigt?
Wir haben 2017/2018 eine Machbarkeitsstudie erarbeitet mit wissenschaftlichem Beirat, Architekten, Szenografen. Damit haben wir uns an unsere Zuwendungsgeber gewandt, damit sie uns mit ihren finanziellen Mitteln unterstützen, die Neukonzeption voranzutreiben. Es gab mittlerweile einen Architekturwettbewerb mit anonymen Verfahren, an dem sich 50 internationale Büros beteiligten. Daraus ist das Kasseler Büro Schulze Berger als Gewinner hervorgegangen, über das wir sehr glücklich sind. Danach suchten und fanden wir Szenografen – also Experten, die mit uns gemeinsam die Ausstellunggestaltung und Szenografie entwickeln. Das ist gewerkdesign aus Berlin. Und uns war es sehr wichtig, dass Architekten und Szenografen zu einem Team zusammenwachsen, was sich bereits bewiesen hat. Und wir haben ein Projektsteuerungsbüro gefunden, das uns in allen organisatorischen Fragen begleitet und unterstützt.
Die Neukonzeption ist ein stetiger Prozess. Mit welchen Fragestellungen beschäftigen Ihr Team und Sie sich im Moment?
Ausgangspunkt unserer Neukonzeption war der Punkt, dass unsere Dauerausstellung zu lange dauert und wir deshalb eine inhaltliche Neukonzeption benötigen. Das steht derzeit im Zentrum von Workshops mit dem Team, den Architekten und Szenografen, also wie sich diese inhaltliche Neuerung räumlich manifestieren kann. Was bei all dem stets mitschwingt, ist die Grundfrage, die wir uns immer stellen: Wie schaffen wir es, das Endlichkeitsbewusstsein in unserer Gesellschaft zu stärken und wie bringen wir Besucher*innen dazu, dass sie sich gern mit diesen existenziellen und nicht einfachen Fragen befassen.
Nach aktuellem Stand wird das Museum ab dem Jahr 2025 temporär geschlossen. Bis dato haben Sie noch keine Interims-Raumlösung?
Nein, die haben wir leider noch nicht. Es wird auch immer dringlicher, dass wir sie finden. Es ist wichtig, dass wir in der Zeit, in der unser Museumsstandort hier geschlossen wird, in der Stadt präsent sind. Als einziges Museum für Sepulkralkultur kann man nicht einfach für drei Jahre schließen. Interim bedeutet: Wir brauchen einen Ort in der Stadtgesellschaft, wo wir weiterhin kleinere Formate mit Ausstellungen und Veranstaltungen anbieten können, darüber hinaus einen Ort, an dem wir arbeiten und unsere Exponate lagern können.
2027 soll die Wiedereröffnung stattfinden. Im Jahr der documenta 16, die am 12. Juni 2027 beginnt. Zufall?
Wir planen die Wiederöffnung im Jahr 2027, allerdings im dritten oder vierten Quartal. Wir freuen uns immer, wenn documenta ist und wir wie bei den letzten beiden Ausstellungen Teil von ihr sein können. Das wird aber im Jahr 2027 nicht möglich sein, weil unser Museum dann noch nicht wiedereröffnet sein wird.
Was erwartet uns im Herbst im Museum für Sepulkralkultur? Welche Pläne habt Ihr für die 18. Ausgabe der Kasseler Museumsnacht?
Kurz vor der Museumsnacht, am 31. August, eröffnen wir die Ausstellung „R.i.(a)P. | Rest in a Piece – Der Tod als Markenzeichen“ und zeigen den Chanel-Sarg von Wowo Kraus. Bei der Museumsnacht laden wir die Besucher*innen ein, einzutauchen in das Phänomen Trost. Anlass ist die Sonderausstellung „Trost – Auf den Spuren eines menschlichen Bedürfnisses“. Darüber hinaus ist das Kasseler Zeicheninstitut zusammen mit Axel Garbelmann und Axel Kretschmer mit der Performance K(lang)B(ild)W(ort) zu Gast sowie die Jazz-Formation Level Eleven. Als für das Kulinarische zuständiger Gast freuen wir uns darauf, dass Al Wali bei uns kocht. Und am Sonntag basteln Buchkinder e. V. mit den Jüngsten und wir bieten Kinderführungen an.
Ab Mitte November zeigen wir eine Ausstellung mit Arbeiten von Adolf Buchleiter mit dem Titel „Mahlstrom“. Weiterer Höhepunkt neben vielen anderen Veranstaltungen für Kinder und Erwachsene ist der „Día de los Muertos“, der „Tag der Toten“, den wir am 3./4. November feiern.
Gestatten Sie uns noch ein paar persönliche Fragen. Eine Zeitkapsel beamt Sie in jede beliebige Zeitepoche. Für welche Epoche würden Sie sich entscheiden?
Das ist einfach: Da ich neugierig bin, würde ich gern wissen, wie unsere Welt in 2000 Jahren aussieht. Also im Jahr 4023.
Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit am besten?
Das Befriedigendste an der Arbeit ist, dass wir etwas für unsere Besucher*innen machen und damit im Dienst der Gesellschaft stehen. Wenn es gelingt, die Menschen auf unterschiedlichen Ebenen, also emotional, ästhetisch, intellektuell zu erreichen, dann haben wir unsere Arbeit gut gemacht. Als besonders bereichernd empfinde ich es, dieses Ziel auch noch gemeinsam mit einem empathischen und inspirierten Team zu verfolgen.
Was bedeutet Glück für Sie?
Grundsätzlich glaube ich, dass man ein glückliches Leben nur im Bewusstsein seiner Endlichkeit führen kann. Leben ist immer endlich, genauso ist es auch mit dem Glück. Es ist ja kein Dauerzustand, sondern wir erleben Glücksmomente. Wenn ich Glück mit Zufriedenheit gleichsetze, dann empfinde es als großes Glück, dass ich mit meiner beruflichen Expertise für das Museum für Sepulkralkultur arbeiten darf.