© Leonine Studios
Regisseur Edward Berger gibt letzte Anweisungen vor einer Szene seines Papst-Thrillers Konklave.
“Der Hauptverband der Filmtheater rechnet für das Jahr 2024 mit nur 90 Millionen verkauften Tickets, das ist ein historisches Tief. Vor der Pandemie waren es fast 30 Millionen mehr”, bilanziert der Tagesspiegel (30.11.24). Erfreulicherweise ist die Vorstellung am frühen Abend im Delphi Filmpalast in Berlin recht gut besucht. Selten einmal gehe ich vollkommen unbefangen ins Kino. Über “Konklave” von Edward Berger wusste ich nichts. Filme, die im Vatikan spielen und sich mit einer Papstwahl beschäftigen, interessieren mich nicht. Um so mehr bin ich überrascht, dass “Konklave” nach dem Bestseller von Robert Harris vom ersten Moment an fesselt. Regie, Mitwirkende, Kamera und Musik – alles passt bei diesem spannenden Film. Action gibt es nicht; alles spielt sich im Vatikan ab, hinter Schloss und Riegel. Die Wahl eines Papstes ist hoch geheim und im Ablauf unspektakulär, aber Edward Berger erzählt dieses Procedere als Allegorie eines Machtkampfes. Die Kardinäle aus aller Welt kämpfen mit allen Mitteln um Macht und Einfluss.
Kardinal Lawrence (großartig Ralph Fiennes) ist vom Papst vor seinem Tod damit beauftragt worden, die Wahl eines würdigen Nachfolgers zu gewährleisten. Er stellt eigene Ambitionen zurück. Einmal erinnert er an Jesus, der in seiner Todesstunde mit seinem Glauben hadert – “Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen.” Unser Handeln solle von Zweifel, nicht von Gewissheit geprägt sein, fordert Lawrence. Diese Tugend wünschte man sich bei Politiker: innen einer Partei, die sich sogar christlich nennt. Kaum war der syrische Diktator Baschar Hafiz al-Assad geflohen, wurde schon die Rückführung der syrischen Flüchtlinge aus Deutschland gefordert. Besonders populistisch gab sich wieder einmal Jens Spahn, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag. Als ehemaliger Gesundheitsminister sollte ihm doch klar sein, wie wichtig etwa die 5.800 syrischen Staatsbürger sind, von denen viele in Krankenhäusern arbeiten.
Die weitere Entwicklung in Syrien lässt sich nicht abschätzen; Leerformeln aus deutschen Landen sind nicht angebracht. “Jetzt kommt es darauf an, dass in Syrien schnell Recht und Ordnung wieder hergestellt werden”, phraselte Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntag – nach über fünfzig Jahren Terrorherrschaft der Assad-Familie. Das geschundene Land braucht jede Unterstützung, aber keine weltfremden und selbstgefälligen Belehrungen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung brachte es in einem Kommentar treffend auf den Punkt: “Wenn jetzt über ein Engagement beim Neuanfang des Landes gesprochen wird, dann sollte man nicht vergessen, dass die europäische Machtlosigkeit auch selbst verschuldet war. Wer Isolation als außenpolitische Strategie wählt, der beschneidet seine Möglichkeiten und überlässt das Feld anderen. In Syrien waren das bekanntlich Russland und Iran. Deshalb sollte man den siegreichen Aufständischen jetzt nicht gleich wieder ein grünes Lastenheft vorlegen. Wenn Baerbock eine Zusammenarbeit von einem Idealzustand abhängig macht, zu dem Frauenrechte und Minderheitenschutz gehören, dann hat das mehr mit deutschen Ansprüchen zu tun als mit der syrischen Realität. Deutschland muss lernen, dass Außenpolitik nicht Missionierung ist, sondern in erster Linie Interessenwahrung.” (13.12.24) Für die Rechte von Frauen und Minderheiten erreicht eine Diplomatie der Diskretion mehr als eine der Parolen. Hoffentlich auch in Syrien!
Erk Walter
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