© Karl Grünkopf
Zum Abschluss gibt es bei den Karl-May-Festspielen am Wochenende immer ein Feuerwerk.
Von Husum nach Bad Segeberg sind es knapp 140 Kilometer. Mit der Bahn dauert die Reise fast drei Stunden; man muss zweimal umsteigen. Die Regionalzüge sind am Sonnabendvormittag sehr voll. Es gibt offensichtlich eine hohe Nachfrage nach diesem Angebot. Das mobile Leben in der Provinz ist deutlich beschwerlicher als in einer Großstadt, wenn man kein Auto besitzt. Wir leben in einem Staat, in dem die Verkehrspolitiker jahrzehntelang der individuellen Mobilität den Vorrang gegeben haben. Von der im Grundgesetz proklamierten Gleichheit der Lebensverhältnisse kann keine Rede sein – wer auf dem Land kein Auto besitzt, hat eben geloost. Wenn dann noch Krankenhäuser und Arztpraxen schließen (müssen), haben Populisten jedweder Couleur leichtes Spiel, im Osten wie im Westen.
Ziemlich beste Freunde aus Berlin haben ein smartes Auto und holen uns an der Haltestelle mitten im Gewerbegebiet von Bad Segeberg ab. Wir wollen abends endlich einmal zu den Karl-May-Festspielen gehen, die sich seit ihrer Gründung im Jahr 1952 zu einem Publikumsmagneten entwickelt haben. Die braven Inszenierungen locken mit TV-Stars und sind massenwirksam angelegt. Taschenkontrollen gibt es nicht; man darf Getränke & Essen mitnehmen. Heuer steht Winnetou II auf dem Programm ohne Old Shatterhand, das Alter Ego von Karl May im Wilden Westen. Das hatte ich genauso vergessen wie die schöne Ribanna, die der edle Apachenhäuptling selbstlos seinem Rivalen Old Firehand überlässt. Am Ende seines Lebens bezeichnete Karl May seine Abenteuerromane als “Vorwerk” und hielt 1912 kurz vor seinem Tod in Wien die viel beachtete, pazifistische Rede “Empor ins Reich der Edelmenschen”. (Wikipedia)
Am nächsten Tag geht ein ikonisches Bild um die Welt: unmittelbar nach dem beinahe tödlichen Anschlag steht Donald Trump auf, reckt die Faust nach oben und ruft: “Fight!” Der Bursche ist hart im Nehmen. Skandale, Prozesse und Verurteilungen scheinen an ihm abzuprallen. Geschickt gibt sich der Multimilliardär und Dealmaker (in eigener Sache) als Stimme der weißen amerikanischen Underdogs aus (“make America great again”). Wie ein 21Jähriger an ein Schnellfeuergewehr und Sprengstoff kommen konnte, steht wieder einmal nicht zur Diskussion. Nicht einmal Barack Obama hat sich mit der einflussreichen amerikanischen Waffenlobby angelegt und strengere Gesetze auf den Weg gebracht. Der harmlose Wilde Westen von Bad Segeberg ist in Amerika jeden Tag blutiger Ernst, nicht nur wenn ein Präsidentschaftskandidat im Fadenkreuz steht. Donald Trump dürfte wohl die nächste Wahl im November gewinnen. Dann wird es richtig ernst werden für die “weltbesten Trittbrettfahrer” (Wolfgang Ischinger) aus Deutschland. Und nicht nur für die!
Erk Walter
Weitere Beiträge wahnundwerk.blog