© Rolf Hiller
Unter dem Begriff "Toxic Evolution" faßt der Künstler Soler Arpa seine Kreaturen zusammen; die Teile hat er auf Mülldeponien gesammelt.
Sie ist der Shooting Star des Jahres in Deutschland. Die gesamte Tour von Paula Hartmann war ausverkauft, schon lange gab es keine Tix mehr für ihr Konzert in Huxley's Neue Welt in Berlin, wo die 1.600 Plätze im Nu weg waren. Mit ihren Songs trifft Paula Hartmann die Herzen & Nerven ihrer Generation. Sie ist gerade 22 Jahre alt geworden, studiert (noch) Jura in Hamburg, stand schon mit 5 Jahren vor der Kamera und hat bei einer ganzen Reihe von TV- und Filmproduktionen mitgewirkt. Diese Erfahrungen kommen ihr nun zugute. Sie hat eine enorme Bühnenpräsenz, wirkt aber in jedem Moment authentisch und positiv. Ihre teils düsteren Texte treffen die Stimmung ihrer Fans, deren Jugend und Perspektive apokalyptisch grundiert ist. Ganz am Anfang ihres umjubelten Konzerts ruft Paula auf, dass jede:r sich bei ihren Leuten melden soll, wenn er/sie sich unangenehm angemacht oder diskriminiert fühlt.
Begleitet und gehalten werden ihre Songs vom Live-DJ Friso - mehr Band braucht es heutzutage nicht mehr. Später kommen als Gäste die Rapper Luvre47 und Apsilon dazu, die meine Vorurteile gegen dieses Genre gründlich erschüttern. Von wegen dicke Hose, Grillz und Gangsterposen. Rap ist für die beiden eine Kunstform, um sich auszudrücken. Apsilons Großeltern kamen als Gastarbeiter aus der Türkei, er wuchs in Berlin-Moabit auf, machte sein Abi mit einem Schnitt von 1.2 und studiert an der Charité Medizin. Von Luvre47, der in der Gropiusstadt groß wurde, stammt der Titelsong von "Sonne und Beton". Der Film von David Wnendt basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Felix Lobrecht. Die Uraufführung fand auf der diesjährigen Berlinale statt; über 1 Million Besucher:innen wollten "Sonne und Beton" seither im Kino erleben.
Per Rad & S-Bahn dann zu einem Kunstprojekt, dessen PR geschickt mit dem Insiderwissen jongliert. Niemand der Auserwählten dürfe verraten, wo der "Himmel unter Berlin" sich auftut. Ehe wir in die Katakomben hinabsteigen, erfahren wir noch, dass auf dem Gelände wesentliche Teile von Fritz Langs Film "Metropolis" entstanden sind. Unten bekommen wir einen Schlüssel mit einer Nummer. Die Location ist großartig gestaltet. Vorbei an Bar und DJane gelangen wir zu einer Bücherwand der 70er Jahre; daneben steht ein Kleiderschrank. Endlich wird unsere Nummer angezeigt, das Mädel öffnet die Tür, wir schieben uns durch die Klamotten - und sind drin. Durch dunkle Gänge werden wir durch ein Labyrinth geführt; es ist ein ganz bisschen unheimlich, wenn man Phantasie hat. In den besten Momenten der Ausstellung taucht man ein in eine immersive, beklemmende Kunstwelt. Trotzdem beeindrucken mich die Kreaturen von Soler Arpa am meisten. Wir zerstören mit unserem Lifestyle systematisch Umwelt und Klima. Die Hälfte aller Seen verlieren Wasser. Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) rechnet damit, dass die nächsten fünf Jahre die heißesten aller Zeiten werden können. Was soll uns schon passieren?
Erk Walter
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