© Karl Grünkopf
Die Zukunft kommt aus der Erde. Die stille Insel Hiddensee bekommt Glasfaseranschluss.
So viel Baulärm wie noch nie. Kleine Bagger buddeln den sandigen Inselboden auf und verlegen Leerrohre für Glasfaserkabel. Wenn wir das nächste Jahr wiederkommen, können wir hier schneller arbeiten als derzeit in Berlin oder Frankfurt. Hiddensee first. Gerade erst hat Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Digitalkonferenz re:publica verkündet, bis 2030 sei Deutschland flächendeckend mit Glasfaser versorgt. Immerhin nimmt er das Thema Digitalisierung ernster als seine Vorgängerin. Bekanntlich hatte Angela Merkel den US-Präsidenten Barack Obama noch 2013 mit dem Eingeständnis verblüfft: “Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Damit dürfte die Kanzlerin a.D. genauso im Reinen sein wie mit ihrer Russlandpolitik, wie sie bei einem Auftritt in einem Berliner Theater darlegte. „Mit Verlaub“ moniert die Mainzer Allgemeine Zeitung: “Das ist zu viel Starrsinn, zu viel Selbstgewissheit und zu wenig Einsicht und Selbstreflexion – und das angesichts einer Lage, in der täglich die katastrophalen Folgen der von Merkel maßgeblich mitverantworteten Politik deutlich werden.“ (09.06.22)
Dass Hiddensee in Merkels ehemaligem Wahlkreis liegt, ist bekannt. Ob die Insel deshalb bei der Glasfaserverkabelung bevorzugt wurde, ist allerdings reine Spekulation. Die Bürger:innen und Gäste bewegt vielmehr das Thema der Hafenerneuerung in Vitte - „Der erste Energieautarke Hafen der Ostsee“ soll entstehen, lesen wir in einer 12-seitigen Broschüre, für die der Hiddenseer Hafen- und Kurbetrieb verantwortlich zeichnet. Dass die Öffentlichkeit bei Großprojekten genauer hinschaut, verdanken wir u.a. den Skandalen um den BER und Stuttgart 21, wo Kosten und Nutzen in einem krassen Missverhältnis stehen. Zum Start des Hafenausbaus gäbe es derzeit keine Auskünfte und Interviews, versichert mir die Kurdirektorin Vanessa Marx am Telefon. Erst wolle sich der Hafenausschuss, in dem auch die Bürgerinitiative HAFEN VITTE sitzt, auf eine einvernehmliche Linie verständigen. Die Position der Initiative ist klar: „Sanierung JA, Ausbau NEIN“. Auf ihrer Seite kann man die Gegenwart des Hafens sehr plastisch mit der Zukunft vergleichen.
Angebot schafft Nachfrage. Das gilt natürlich auch für das Neun-Euro-Ticket im ÖPNV, das am ersten Wochenende mit Feiertag zu den erwarteten Problemen führte. Verkehrsexpert:innen beurteilen den möglichen Erfolg dieses Angebots differenziert: besser hätte man diese Steuermittel in die Sanierung gesteckt, zudem könne diese wohlfeile Offerte nicht das Problem lösen, wie man unkompliziert von A nach B kommt. Solch eine Frage stellt sich im PKW nicht; man steigt ein, fährt mit dem Navi und kommt - selbst bei unvorhergesehenen Ereignissen - immerhin zur errechneten Zeit an. Trotzdem sollte das Neun-Euro-Ticket als Konzept weiterbestehen - man sollte mit einer ÖPNV-Monatskarte im ganzen Land fahren können, ohne sich in anderen Orten an Ticket-Automaten herumärgern zu müssen. Wenn es dann flächendeckend in deutschen Landen Glasfaser gibt, sollten sich auch im öffentlichen Verkehr smarte Lösungen finden, flexibel und unkompliziert von A nach B zu kommen. Hier ist wahrlich der Weg das Ziel.
Erk Walter
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