© Frank Auerbach FairUse / WikiArt
Kopf von David Landau
Morgens höre ich oft die Kulturmedienschau in SWR Kultur und erfahre vom Tod des Malers Frank Auerbach. Bis zu 5 Liter Farbe habe er für manche seiner Werke verbraucht; an einigen arbeitete er ein ganzes Jahr. Bald schuf er plastische Farbreliefs, bald kratzte er die dicken Schichten wieder herunter. Ohne ein Bild von ihm gesehen zu haben, dachte ich sofort an Michael Toenges. Vor Jahren hatte ich Bilder von ihm im Museum Wiesbaden entdeckt, zu ihm Kontakt aufgenommen und dann eines seiner abstrakten Bilder gekauft, an dem wir uns nicht satt sehen können und es täglich neu entdecken. Frank Auerbach wohnte – genau wie sein Cousin Marcel Reich-Ranicki – in der Güntzelstraße in Berlin, nur ein paar hundert Meter von unserer Wohnung entfernt. Mit einem Kindertransport kam er im Alter von acht Jahren nach England; seine Eltern wurden in Auschwitz ermordet.
Michael Toenges war sofort dabei, als ich ihn bat, einige Zeilen für diese Kolumne über Frank Auerbach zu schreiben. “Es gibt ein Schlüsselerlebnis um 1980 für mich (…) Ich fuhr mit der Straßenbahn durch Köln und sah ein unscheinbares Plakat mit einem gemalten Porträt. Es hat mich sofort restlos elektrisiert! Die ganze Botschaft dieses Bildes war für mich schlagartig klar – selten hat mich ein Werk eines Künstlers so aufgerührt. Es war nicht die Materialität – die Schwere und Dichte der Farbe, sondern die Tiefe der Empfindung eines Malers, dessen Name ich nie gehört hatte. Das Plakat – so glaube ich mich zu erinnern -verwies auf eine Ausstellung im „British Council – die Brücke“ in Köln – aber als ich dort hinging, war die Ausstellung bereits vorbei. Niemals habe ich diesen Eindruck vergessen. Erst später habe ich die Originale gesehen (…) Seine ganze Arbeitsweise ist mir so nahe wie kaum die eines anderen Malers! Seine Malerei, seine Farbe, seine Bilder sind Fragen an die Menschlichkeit – an die Humanität! Durch diese Wahrnehmung wurde all mein junger und wilder Ehrgeiz völlig zur Seite gefegt – zugunsten einer malerischen Wirklichkeit, die mich nie wieder losgelassen hat.”
© Frank Auerbach FairUse / WikiArt
Täglich eine Entdeckung: Ölgemälde von Michael Toenges.
Nach einem Besuch bei ihm in seinem Atelier vor vier Jahren notierte ich: “Niemand kennt Michael Toenges auf dem Gelände der Reuschenberger Mühle, idyllisch außerhalb von Leverkusen gelegen. Seit dreißig Jahren arbeitet er dort, in all den Jahren sind ihm Fragen wichtiger als Antworten geblieben. Seine Ölbilder brauchen Zeit, die Schichten überlagern und verstärken sich, quellen förmlich aus den Bildern, die ganz angekommen sind bei sich in völliger Abstraktion. Wann ein Werk fertig ist, weiß nur der Künstler, ohne es doch benennen zu können; er gibt sich dem Prozess gewissermaßen hin, ohne ihn vollends kontrollieren zu können – und zu wollen. Es muss eine wahre Lust sein, die Ölfarbe mit den Händen aufzutragen.” Dieser Prozess ähnelt dem Schaffen von Frank Auerbach, der Jahrzehnte in seinem Atelier im Norden Londons wie besessen arbeitete. In Großbritannien werden seine Werke genauso geschätzt wie die seiner befreundeten Kollegen Francis Bacon und Lucian Freud. In Berlin kann man keines der Werke von Frank Auerbach in einer öffentlichen Sammlung sehen. Ich werde zum Wohnhaus der Familie gehen und an ihn denken. Solche Verbindungen sind wichtiger denn je.
Erk Walter
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