© Gitti Grünkopf
Temporäre Installation auf der dOCUMENTA (13) 2012 in Kassel.
Schöne, neue, smarte Welt. Ich wollte besonders clever sein und das avisierte Weinpaket an einem anderen Tag zustellen lassen. Als es dann doch nicht kam, ging ich im Netz auf die Suche und musste feststellen, dass UPS die Sendung auf den Namen meiner Frau einfach zu einem sog. Access Point gebracht hatte. Ausweis und Karre von IKEA geschnappt und im Nieselregen los zum Abholen. Das Paket sei nicht da. Darauf nannte ich den Absender und den Namen meiner Frau. Diese Sendung habe er, gab mir der freundliche Mitarbeiter zu verstehen, mir dürfe er sie aber nicht aushändigen und berief sich auf den Datenschutz. Es habe im letzten Jahr Betrügereien in Millionenhöhe gegeben. Zum Glück akzeptierte er eine Vollmacht per Mail, und ich machte mich mit der Karre auf den Weg. Wieder einmal fühlte ich mich bestätigt, dass der Datenschutz funktioniert, wo ihn keiner braucht, während die amerikanischen Tech-Giganten mehr über mich wissen, als ich selbst.
Nach einer Fahrt mit der Deutschen Bahn ist die Corona Warn App wieder auf rot gesprungen. Kein Wunder, der ICE war sehr gut besetzt, zudem musste ein Wagen geräumt werden, weil die Klimaanlage ausfiel. Die Zahlen steigen täglich, aber das scheint niemanden im dritten Sommer des Vergessens zu stören. Der Herbst ist ja noch lang hin. Gesundheitsminister Lauterbach warnt, Justizminister Buschmann wiegelt ab, mangels valider Daten bringt das Gutachten des Corona-Expertenrats nichts, wie der Münchner Merkur nüchtern bilanziert: „Nach der Lektüre des Corona-Expertenberichts ist die Politik so schlau wie zuvor. Helfen Schulschließungen? Vielleicht ein bisschen. Lockdowns? Nur zu Beginn. 2G- und 3G-Zugangsbeschränkungen? Bei den aktuellen, hochansteckenden Virusvarianten ist der Nutzen umstritten. Das Ergebnis kann eigentlich niemanden überraschen: Weil es in der ‚Datenwüste D‘ an digital erhobenen Zahlen und Fakten mangelt, gab es auch keine Begleitforschung, die der Politik und dem RKI wirksame Handlungsempfehlungen an die Hand hätte geben können. Nicht mal die Messung der Viruslast im Abwasser, anderswo Routine, ist bei uns nach zwei Jahren Pandemie behördlicher Standard." (02.07.22)
Ähnlich dürftig sind die Erklärungen des indonesischen Künstlerkollektivs ruangrupa, warum auf der documenta fifteen ein zwanzig Jahre altes Plakat mit antisemitischen Motiven gezeigt wurde. Zur Anhörung zu diesem Skandal im Deutschen Bundestag erschienen weder der Kasseler OB Christian Geselle noch die Documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann - und haben damit der bedeutendsten Schau moderner Kunst einen Bärendienst erwiesen. Nach dem Imageschaden droht nun aber auch ein gewaltiges Defizit. Dem Hessischen Rundfunk zufolge kamen bis dato nur halb so viele Besucher:innen wie vor fünf Jahren. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, sagt der Volksmund. Das wussten wir, als wir auf der dOCUMENTA (13) vor zehn Jahren spontan eine temporäre Aktion durchführten. In einem stillen Winkel hinter einem Werk von Thomas Bayrle stellten wir unbemerkt zwei kleine Figuren auf. Nach etwa zehn Minuten beendeten wir die Aktion - unerkannt & unbehelligt vom Wachpersonal. Ende gut, alles gut!
Erk Walter
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