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Auf der Suche nach der Funktion: das Humboldt Forum, hier West- und Südfassade.
Die Bahnen sind deutlich leerer, die Bahnhöfe auch. Die steigenden Zahlen der Neu-Infektionen mit dem C-Virus und die Appelle zeigen Wirkung. Entspannt die Situation im ICE auf der Fahrt in den Verlag nach Frankfurt. Am Dienstag verlieren sich auf der Rückreise nicht einmal 10 Fahrgäste im schönen, älteren Waggon mit Ledersitzen und Holztischen. Das Staatsunternehmen Deutsche Bahn wird im zweiten sog. Teil-Lockdown wieder saftige Verluste einfahren, für die der Steuerzahler dann einstehen muss. Solch ein Netz haben Stadtmagazine natürlich nicht und müssen sich mühsam durchschlagen - die Dezember-Ausgabe von FRIZZ Das Magazin muss später erscheinen, wieder ohne Veranstaltungskalender. Schwierige Zeiten nicht bloß für Verleger; die Verunsicherung im Einzelhandel und in der Gastronomie ist groß, nicht zu reden von der Veranstaltungsbranche, für die 1 Million Menschen tätig sind.
Für Verunsicherung in der Bevölkerung sorgen auch befremdliche Signale aus dem Kanzleramt. Man solle sich nur noch mit einem bestimmten anderen Haushalt verabreden, Kinder und Jugendliche nur noch mit einem Freund oder einer Freundin. Damit kam Angela Merkel in der Runde mit den Ministerpräsident*innen nicht durch; es blieb zum Glück bei Empfehlungen. Dunkel sprach die Kanzlerin danach von einem "Zwischenrecht", das man habe schaffen wollen. Erst nächste Woche ist mit neuen Entscheidungen zu rechnen; das überarbeitete Infektionsschutzgesetz schafft eine ausreichende Legitimation dafür. Immer verstörender werden die Demonstrationen der sog. Querdenker, die längst von Rechtsradikalen gekapert worden sind, die alles tun, um die Institutionen der Bundesrepublik auszuhöhlen und lächerlich zu machen. Wehret den Anfängen!
Wir bleiben also zu Hause, kämpfen uns im Home-Office durch die Arbeit - und freuen uns natürlich auf den 17. Dezember. Eine Woche vor Weihnachten gibt es eine schöne Bescherung: das Humboldt Forum im Berliner Stadtschloss feiert seine erste Teileröffnung. In der Hauptstadt gibt es einen Mainstream gegen Veränderung und für Restauration. Dieser Stimmung ist der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses geschuldet, an dem die gleichen Fehler wie beim BER gemacht wurden. Man hat begonnen und dann erst die Funktionen festgelegt. Genüßlich listet die SZ (19.11.20) eine aktuell doch erstaunliche Liste von Fehlern auf: große Exponate passen nicht durch die Türen des Riesenschlosses, die Klimaanlage funktioniert noch immer nicht, Sprinkleranlagen sind out of control. Quintessenz: das Stadtschloss sei ein "Bau, der seiner Funktion für immer im Weg stehen wird." Weniger geht nicht.
Erk Walter
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