© Thomas Aurin
ANTIKRIST, Regie: Ersan Mondtag, Premiere 30. Januar 2022 Deutsche Oper Berlin
Karte gesucht! Obwohl oder weil dieses Werk in der Deutschen Oper Berlin überhaupt erst das vierte Mal aufgeführt wird, ist das Interesse groß. Geschrieben und selbst überarbeitet hat der dänische Einzelgänger Rued Langgaard "Antikrist" in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Zur Uraufführung kam es erst 1999 in Innsbruck, es schlossen sich bis dato nur noch Kopenhagen (2002) und Mainz (2018) an. Diese Zurückhaltung hat Gründe. Anders als in seiner "Sphärenmusik", in der erstmals die Saiten in einem aufgeklappten Flügel angeschlagen wurden, erobert der Einzelgänger Langgaard im "Antikrist" kein musikalisches Neuland. Spätromantische Klänge untermalen ein verschrobenes Libretto, in dem Luzifer und Gottes Stimme einen Pakt zur Rettung der verderbten Welt eingehen. "Rätselworte" hören wir viele an diesem Abend. Die Sänger:innen und Ersan Mondtags bildstarke Inszenierung mit durchweg präsenten Tänzer:innen retten die "Kirchenoper" in einer "Lärmes Kirchen Ödnis", in der zum guten Schluss natürlich Luzifer dran glauben muss und ein androgyner Christus obsiegt. Die kundige ARD-Kulturkorrespondentin Maria Ossowski war von diesem "biblischen Roadmovie" in 90 Minuten durchaus angetan.
Nach dieser Wiederentdeckung steht zwei Tage später die nächste an: "Mein Name sei Gantenbein" im Berliner Ensemble. Der Intendant Oliver Reese hat diesen Roman von Max Frisch für die Bühne eingerichtet und mit Matthias Brandt einen wunderbaren Schauspieler gefunden, der seit 20 Jahren das erste Mal wieder im Theater zu erleben ist. Natürlich sind alle Vorstellungen ausverkauft. In knapp zwei kurzen Stunden nimmt Brandt verschiedene Identitäten an. Wenige Requisiten und sparsame Gesten reichen ihm allemal, um in ein "neues" Leben zu schlüpfen. "Erkenntnisgewinn durch das Hineintreten in andere Identitäten" sei das Wesen des Schauspielerns, stellte er in einem Gespräch mit Ute Büsing im Inforadio fest. Mit minimalen, aber effektiven Mitteln kommen auch Inszenierung und Bühnenbild aus. Es wechselt der Rahmen aus Neonröhren oder die Musik - schon schafft Matthias Brandt eine ganz neue Situation. "Ich probiere Geschichten an wie Kleider", heißt ein gern zitierter Satz aus dem 1964 erschienenen Roman, der heute, wo man sich beliebig im Netz in anderen Identitäten verstecken kann, so wahr ist wie ehedem. Lang anhaltender Applaus für diese Soloperformance. Jammerschade, dass Matthias Brandt derzeit keine weiteren Theaterpläne hat.
Wes Brot ich ess', des Lied ich sing'. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, ein gut bezahlter Lobbyist von Putins Gnaden, verstörte wieder einmal die Öffentlichkeit mit seinen bizarren Äußerungen zur Ukraine-Krise und gewahrte in dem Land, das von russischen Soldaten umzingelt ist, ein "Säbelrasseln". Seine Partei bringt er damit erneut in die Bredouille - wo steht eigentlich die SPD in dieser Krise? Das Lavieren des Kanzlers wirkt sich schon in den Umfragen aus; bei North Stream 2, bei der Bekämpfung der Pandemie oder bei der Haltung zu den Olympischen Spielen macht Olaf Scholz keine gute Figur. Der Politiker, der Führung versprochen hatte, scheint nach zwei Monaten im Amt noch immer nicht angekommen zu sein und wirkt seltsam blass. Beim aktuellen ARD-Deutschlandtrend liegt die SPD mit 22% deutlich hinter der CDU/CSU (27%); mit der Arbeit von Olaf Scholz sind nur noch 43% zufrieden. Heute beginnen in Peking die Olympischen Spiele. Ohne mich, versteht sich!
Erk Walter
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