© Karl Grünkopf
Das Bauhaus Museum in Dessau.
Das Hotel in Dessau ist hervorragend gelegen. Von dort kommt man fußläufig zum Bauhausgebäude, gegenüber sind die berühmten Meisterhäuser. Wir wundern uns über die Milchglasscheiben, werden darüber aber erst am nächsten Tag mehr erfahren. Wir fahren zurück ins Zentrum und staunen über die breiten und großzügigen Straßen; Dessau-Roßlau hat gerade einmal 80.000 Einwohner. Gespenstisch leer ist es in dem anonymen Einkaufszentrum, wo zu DDR-Zeiten noch eine Kaufhalle war; drei Stunden darf man dort gratis parken. Gesichts- und zusammenhanglos die ganze Stadt, viele leere Geschäfte, kaum Menschen unterwegs. Gewaltig und spiegelnd abweisend mittendrin das Bauhaus-Museum, in dessen Fassade sich die Baukatastrophen der letzten Jahrzehnte spiegeln. Das Haus öffnet sich nicht zur Stadt, der Eingang verschwindet vollkommen in der Spiegelfassade. Zumindest können wir das Bistro und die freundlichen Damen im Service sehr empfehlen.
© Karl Grünkopf
Hier wurde Architektur- und Designgeschichte geschrieben.
Ernüchtert fahren wir zum Bauhaus, das von 1926 bis 1932 von hier aus Architektur- und Designgeschichte schrieb und dem schnörkeligen Mief des Wilhelminismus eine radikale Moderne der klaren Formen und klugen Funktionalität entgegenschleuderte. Großartig die Fensterfassaden, das Spiel von Licht und Schatten auf und im Gebäude. Wir werden durch das beeindruckende Haus geführt, bewundern ein Gesamtkonzept, das sogar noch die oben(!) angebrachten Heizkörper in die Ästhetik der Räume integriert. Walter Gropius und seine teils kongenialen Mitstreiter:innen entwickelten die berühmten Stahlrohrmöbel, praktische Raumkonzepte und das modulare Bauen, das man in der Bauhaussiedlung Dessau-Törten sehen kann, wenn auch einige Häuser über die Jahre verunstaltet wurden. Ob Gropius das Konzept der präzisen Unschärfe beim Nachbau seines im Krieg zerstörten eigenen Hauses gutgeheißen hätte? Mit dieser Brechung wollte das Berliner Büro Bruno Fioretti auf den Funktionswandel des Gebäudes hinweisen – es wird jetzt als Museum genutzt – und nimmt ihm doch ein zentrales Element des Bauhauses: das luzide Spiel von Licht und Schatten, von innen und außen.
© Karl Grünkopf
Milchglasscheiben sollen den Meisterhäusern eine präzise Unschärfe geben.
Von präziser Unschärfe kann man bei der Krise des Volkswagen-Konzerns nicht sprechen; im Gegenteil, die Fehler des Managements liegen klar auf dem Tisch und gehen wieder einmal zu Lasten der Belegschaft. „Dass die rund 120.000 Mitarbeiter:innen von Volkswagen^ in Deutschland”, kommentiert die taz, “in heller Aufregung sind, ist mehr als verständlich. Sie sollen die falschen Managemententscheidungen aus der Vergangenheit ausbaden. Alleine der Dieselskandal hat VW bisher mehr als 32 Milliarden Euro gekostet. Dass der Konzern bis heute nicht in der Lage ist, ein für die breite Bevölkerung erschwingliches E-Auto anzubieten, hat auch nicht die Belegschaft zu verantworten. Wer den VW-Konzern entschlacken will, sollte daher an dessen Spitze anfangen. Doch dass Herr Blume, der im vergangenen Jahr knapp 9,7 Millionen Euro verdient hat, mit gutem Beispiel vorangehen und auf einen Teil seines obszön hohen Einkommens verzichten will, ist nicht bekannt.“ (29.10.24) Von präziser Unschärfe darf man aber getrost vor der Wahl in den USA sprechen. Der überzeugte Transatlantiker Joe Biden ist aus dem Spiel. Für Europa wird sich in jedem Fall einiges ändern, ob nun Kamala Harris oder Donald Trump gewinnt. Am nächsten Dienstag ist es soweit, in der Nacht auf den 6. November wissen wir zumindest schon etwas mehr.
Erk Walter
Weitere Beiträge wahnundwerk.blog