© Karl Grünkopf
Der schiefe Turm hat überhaupt nichts mit den PISA-Studien zu tun.
Überraschung am Morgen. Kaum habe ich den Bahnhof Kassel Wilhelmshöhe betreten, stürmt eine junge Frau von der UNICEF Flüchtlingshilfe auf mich zu: “Sie sind genau meine Zielgruppe. Studieren Sie noch oder arbeiten Sie schon?” “Ich arbeite schon und muss gleich meinen Zug erreichen”, antworte ich erstaunt und kaufe mir eine Tageszeitung. Alle Blätter beschäftigen sich mit den deprimierenden Ergebnissen der neuen Pisa-Studie, in der die Schüler:innen in Deutschland schlechter denn je abgeschnitten haben. Es soll Schulen hierzulande geben, in denen die Mehrheit des Lehrkörpers Quereinsteiger sind, wo doch gut ausgebildetes Personal heute besonders wichtig ist. Viele Schulen sind in einem maroden Zustand und eine Schande für die viertgrößte Industrienation der Welt. Die Rheinische Post aus Düsseldorf analysiert die Situation schonungslos: “Die Schulschließungen während der Corona-Pandemie waren ein Fehler, auch das hat man nun schwarz auf weiß. Dies mag noch entschuldbar sein, weil man keine Erfahrungen im Umgang mit einer Pandemie hatte. Für den zweiten Grund aber trägt allein die Politik die Verantwortung: Die sogenannte Heterogenität der Schüler. Das Migrationsproblem wird in Deutschland an die Schulen verlagert, Lehrer, Rektoren, Eltern und vor allem die Schüler müssen es ausbaden.” (06.12.23)
„Nehmen Sie einem Durchschnittsmenschen die Lebenslüge, und Sie nehmen ihm zu gleicher Zeit das Glück“, heißt es in Ibsens “Wildente”. Es ist höchste Zeit, mit ein paar Lebenslügen in Deutschland zu brechen, wo bald jeder zweite Euro des Staatshaushalts für Sozialleistungen ausgegeben wird. Eine schonungslose Bestandsaufnahme tut not, wie sie nun auch liberale Blätter anmahnen. Dass 4 Millionen Menschen Bürgergeld bekommen und branchenübergreifend Arbeitskräfte gesucht werden, ist nicht mehr zu vermitteln und spiegelt sich im aktuellen ARD DeutschlandTREND wider: die sog. Fortschrittskoalition kommt nur noch auf ein Prozent mehr als die CDU, deren Spitzenpersonal keineswegs überzeugt. „Es hat Gründe”, kommentiert die Süddeutsche Zeitung, “warum die SPD in den Umfragen nur noch bei 15 Prozent liegt. Ein wenig wirkt es so, als habe sich die SPD die Bockigkeit bei Scholz abgeschaut. Vor allem beim Herzensthema Sozialpolitik. Einfach stur zu sagen, Einschnitte dort gehen gar nicht, ist etwas wenig. Im Haushalt fehlt auch durch den steten Ausbau des Sozialstaats Geld für Investitionen. Das Urteil aus Karlsruhe sollte ein Weckruf für die SPD sein, einmal die eigene Ausgabenpolitik zu hinterfragen, ob man die richtigen Akzente setzt. Fast vier Millionen Erwerbsfähige erhalten Bürgergeld, davon 500.000 Ukrainer. Viel mehr Leute in Arbeit und damit raus aus dem Bürgergeld zu bringen: Das würde tatsächlich viel Einsparung bringen.” (08.12.23)
Mit ideologischen oder taktischen Scheuklappen lässt sich der Staatshaushalt jedenfalls nicht konsolidieren; das gilt für Grüne und FDP (steht aktuell bei 4%) gleichermaßen. Eine Kerosin-Steuer könnte dem Fiskus jährlich 8,4 Milliarden bringen, die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs 1,8 Milliarden, und die steuerliche Begünstigung von Diesel kostet 8,5 Milliarden per anno. Warum die Grünen die Hebung dieser Reserven nicht energisch einfordern, ist in der aktuellen Schieflage der Staatsfinanzen nicht nachvollziehbar. Alles muss auf den Prüfstand, und es wäre die Aufgabe des Kanzlers, seine Richtlinienkompetenz auszuspielen und seinen Worten endlich Taten folgen zu lassen. “Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch”, hat Olaf Scholz einmal behauptet. “Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube”, ließe sich mit Goethe entgegnen. Das Wort des Jahres 2023 ist übrigens Krisenmodus. Eine wenig originelle und um so trefflichere Wahl.
Erk Walter
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