© Deutscher Bundestag / Achim Melde
In sieben Wochen ist das zweite Weihnachten in Zeiten der Pandemie. Vielleicht bekommen die Deutschen bis zum Fest eine neue Regierung.
Kein volles Haus. Immerhin kommen in die 18-Uhr-Vorstellung doch einige Interessierte. "Die Unbeugsamen" kam schon Ende August in die Kinos und erreichte in den ersten vier Wochen über 70.000 Zuschauer:innen - der erfolgreichste deutsche Dokumentarfilm seit Jahren! Erzählt wird der lange Weg der Frauen in den Deutschen Bundestag, in Ministerien und Ämter. Die ganze Spießigkeit der Bonner Republik wird deutlich, die joviale und herablassende Art, mit der Politikerinnen behandelt wurden. Torsten Körner montiert geschickt Archivmaterial mit aktuellen Interviews von Frauen, die damals dabei waren und auf ihre Anfänge zurückblicken. „Als Einzelne wirkt die Frau wie eine Blume im Parlament, aber in der Masse wie Unkraut", brachte der CSU-Abgeordnete Michael Hollacher den Machismo jener Jahre auf den Punkt. Heutzutage würde ihm ein Shitstorm sondergleichen blühen. Gleichwohl sind die Frauen auch im frisch gewählten Deutschen Bundestag nur mit knapp 35% Prozent vertreten, also noch längst nicht am Ziel.
Im Moment müssen sich viele neue Abgeordnete beiderlei Geschlechts mit ganz anderen Problemen herumschlagen - es fehlt an Platz, es fehlt an Büros. Der 20. Deutsche Bundestag ist bunter & diverser als je zuvor, und er hat 736 Mitglieder. Nur der chinesische Volkskongress ist noch größer, aber dieses sog. Parlament kommt in voller Besetzung mit rund 3.000 Mitgliedern nur einmal im Jahr zusammen. Natürlich sind sich alle einig, dass unsere Volksvertretung viel zu groß ist, von den zusätzlichen Kosten - die Rede ist von knapp einer halben Milliarde Euro - ganz zu schweigen. Eine Reform des Wahlrechts mit einem neuen Zuschnitt der Wahlkreise befürworten alle Parteien, doch in zwei Legislaturen passierte nichts. Insbesondere die CSU mit ihren vielen Direktmandaten in Bayern hat diese Reform erfolgreich hintertrieben - es steht eben für Söder & Co. einiges auf dem Spiel. Ein Beispiel von vielen für den beklagten Reformstau in der Bundesrepublik. Hoffentlich beendet der nächste Bundestag die dysfunktionale Vergrößerung seiner selbst. Die Menschen 'draußen im Lande' wären begeistert.
Diese Menschen staunten nicht schlecht, als der kommissarische Gesundheitsminister Jens Spahn heute in einem Interview im Inforadio erzählte, er habe sich gestern zum dritten Mal impfen lassen. Eine Booster-Impfung sei allen über 60-Jährigen anzuraten und all denjenigen, die AstraZeneca oder Johnson & Johnson bekommen hätten. Der wendige Politiker ist 41 Jahre alt und hat mit seinen voreiligen Statements schon häufiger verblüfft. Was soll ich jetzt machen? Ich habe meine zweite Impfung am 17. Juni erhalten, und mein Impfschutz ist laut Corona-Warn-App vollständig. Schnell noch einmal im Netz recherchiert - die STIKO empfiehlt eine Auffrischung für über 70-Jährige. Die Inzidenzen steigen, die Intensivstationen laufen voll, überwiegend mit nicht-geimpften Corona-Patienten. In einer solchen Lage wünscht man sich klare, abgestimmte und verlässliche Informationen und keine schnellen Statements. Vielleicht macht's ja Karl Lauterbach besser. Der notorische Schwarzseher wird als neuer Gesundheitsminister gehandelt..
Erk Walter
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