© Rolf Hiller
Auf dem Todesstreifen entstand eine Kirschblütenallee.
Auf zur japanischen Kirschblüte mitten in Berlin. Wo einst der Todesstreifen war, lassen sich im Frühjahr viele Menschen von einer ganz besonderen Allee verzaubern. Initiiert von einem japanischen TV-Sender fanden sich viele Spender:innen, um die Anpflanzung von japanischen Kirschbäumen auf dem Mauerstreifen zu ermöglichen. Unterhalb der S-Bahn-Station Bornholmer Straße beginnt der Weg unter den blühenden Bäumen, in deren Licht eine ganz besondere poetische Stimmung entsteht. Auf dem Weg dorthin durchschreiten wir gewissermaßen deutsche Geschichte. Eingelassen sind auf dem Bürgersteig die zentralen News des 9. November 1989, als plötzlich die Grenze zwischen der DDR und der BRD fiel und ein schier endloser Menschenstrom nach West-Berlin aufbrach. Zwar gibt es noch zwei weitere Kirschblütenalleen auf dem Mauerweg (in Teltow stehen über tausend Bäume), aber am sinnfälligsten ist für mich das Symbol der Freiheit an diesem Ort.
Heute sehnen sich alle Deutschen nach ihren gewohnten Grundrechten, deren Einschränkung - zumindest für Genesene und zweifach Geimpfte - juristisch nicht länger zu halten ist. Für diese Gruppen werden die Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen aufgehoben - was die Gesellschaft noch einmal vor große Herausforderungen stellt, wenn damit weitere Vorteile einhergehen, wenn etwa nur diese Gruppen in Restaurants, Kinos oder Theater dürfen. Die Süddeutsche bringt es treffend auf den Punkt: "Es wird verdammt bitter, wenn Hunderttausende junger Menschen abends allein in ihren Einzimmerbuden hocken müssen, während viele Ältere, geimpft und sicher, tun und lassen können, was sie wollen: Einkaufen ohne nerviges Geteste. Tanzen bis drei Uhr morgens im Partykeller. Wieder die Kreuzfahrtschiffe stürmen." (04.05.2021) Die sozialen Folgen dieser Pandemie sind noch nicht abzuschätzen. Anders als bei der längst vergessenen Hongkong-Grippe um 1960 stehen dieses Mal zum Glück Impfstoffe zur Verfügung, die zuletzt an junge Menschen mit guten Immunsystemen gehen. Sie schultern deshalb einen großen Teil der Corona-Folgen: Schul- und Kitaschließungen, kaum Kontakte zu Gleichaltrigen, Digital- statt Präsenzunterricht an den Unis, keine Auslandssemester.
Dass die Impfgegner und -verweigerer und die Corona-Leugner unverantwortlich handeln, steht nicht zur Diskussion. Erschüttert höre ich von einem Mann auf einer Intensiv-Station: Corona im Endstadium. Das Virus zerfrisst die Organe, in Auffangbeutel zerfließt ein Mensch, der ganze Organismus kollabiert. Die Ärzte sind machtlos. Jede:r, der sich nicht impfen lässt, nimmt solche Schicksale billigend in Kauf. In der aktuellen, medial völlig überhitzten Situation sollte man die Frage nach einer Impfpflicht in einer Pandemie tunlichst nicht stellen. Angesichts der enormen sozialen & ökonomischen Folgen von Corona gehört dieses Thema allerdings auf die Tagesordnung, wenn wieder die sog. Normalität zurückgekehrt ist. Zu dieser neuen und sicherlich anderen Normalität wird die jährliche Impfung gegen Corona gehören, denn das Vakzin schützt nur ein Jahr. Das muss dann eine neue Bundesregierung organisieren, womöglich unter Führung der Grünen, die laut ARD DeutschlandTrend klar vor der CDU liegen; ihre Kanzlerkandidatin führt ebenfalls deutlich. Annalena Baerbock muss sich derweil auch mit den Nebenwirkungen ihrer neuen Rolle zurechtfinden: sie steht unter Polizeischutz und wird in den (a)sozialen Netzwerken in übelster Weise verunglimpft.
Erk Walter
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