© Ute Langkafel MAIFOTO
Keine Chance nirgends: Alexandra Sinelnikova, Katja Riemann, Maria Simon in „Linkerhand“ am Berliner Gorki Theater.
Der Roman “Franziska Linkerhand” von Brigitte Reimann, posthum 1974 veröffentlicht, gilt als Kultbuch der DDR-Literatur. Geschildert wird das Leben einer jungen Architektin, die eine Karriere in Ost-Berlin in den Wind schlägt und ihre Vorstellungen vom Bauen in einer Neustadt in der Provinz realisieren will – und scheitert. Die knapp siebenhundert Seiten Text komprimiert der Regisseur Sebastian Baumgarten in seiner Inszenierung für das Berliner Gorki Theater auf 105 Minuten, was schon eine Leistung an sich darstellt. Bei der Premiere im ausverkauften Haus klatscht das überwiegend junge Publikum begeistert. Gleichwohl kann der Abend nicht überzeugen. Baumgarten besetzt die Hauptrolle mit gleich drei Schauspielerinnen – Katja Riemann, Alexandra Sinelnikova und Maria Simon -, ohne dass die Figur so lebendiger würde. Das Scheitern der Franziska Linkerhand an den Betonköpfen und Bürokraten der Plattenbau-Ideologie kommt genauso leblos auf die Bühne; es wird vorgetragen und nicht gespielt. Die Kritikerin Barbara Behrendt saß jedenfalls “in einer drögen Inszenierung, die selbst ein wenig wirkt wie eine Bauruine von vorgestern.” (rbb24)
Spannender als auf der Bühne ist es derzeit in Berlin hinter den Kulissen. Auch in der Hauptstadt muss gespart werden; der Kultur drohen hier Kürzungen von 10%. Anlass genug für die Süddeutsche Zeitung, sich mit diesem Thema zu beschäftigen und Fragen nach der Arbeit des Kultursenators Joe Chialo (CDU) zu stellen. Er hofft wie die teils üppig alimentierte Freie Szene, es möge wohl irgendwie gut gehen, statt einen Kassensturz zu machen. “Natürlich kann man im Berliner Kulturetat sparen”, befindet der Autor Peter Laudenbach, “ohne dass die Stadt verödet oder Wirtschaft und Tourismus kollabieren. Pro Einwohner gibt Berlin deutlich mehr für seine Kultureinrichtungen aus als zum Beispiel das schöne Hamburg. (…) Auch in der angeblich darbenden Freien Szene ist die Frage, ob Subventionshöhe, künstlerischer Ertrag und Publikumsinteresse immer in einem angemessenen Verhältnis stehen. Beispiele? Das stark identitätspolitisch inspirierte Kreuzberger Ballhaus Naunynstraße hatte im vergangenen Jahr nur 5000 Zuschauer, dabei öffentliche Zuwendungen in Höhe von 2,3 Millionen Euro – das macht groteske 466 Euro Subventionen pro Ticket.” (24.10.24)
Alle Kosten auf den Prüfstand zu stellen schadet nie; dann kann man immer noch neue Schulden machen, wenn es denn im konsumtiven Bereich unbedingt sein soll. Vor dieser Herausforderung stehen auch die Spitzen der Ampelkoalition, die längst im Wahlkampfmodus angekommen sind – behaupte sich, wer kann. Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer veritablen Krise und verliert im beinharten Wettbewerb jeden Tag an Boden. Die Steuereinnahmen gehen zurück, Massenentlassungen und Werksschließungen drohen. Gleichzeitig müssten dringend 400 Milliarden Euro in die Infrastruktur investiert werden. Kaputte Brücken, Straßen und Schienen sind Schulden, die am Ende teurer kommen als eine Lockerung der Schuldenbremse. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wieder eine Brücke einstürzt. Eine parteiübergreifende Agenda 2040 muss her.
Erk Walter
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