© Rolf Hiller
Das neue Berliner Stadtschloss aka Hufo: drei Seiten barock, eine funktional.
Sechsmal werden wir noch... Heuer werden wir besonders stille, nachdenkliche Weihnachten feiern. Danach sollen dann auch bei uns die Impfungen gegen Corona beginnen, und am 31.12. werden die Briten endgültig die EU verlassen - und den harten oder weichen Brexit vollziehen. Angeblich soll nur noch bis Sonntag verhandelt werden. Wer's glaubt! Dann hat der Gambler Boris Johnson wieder die Kontrolle über das United Kingdom. Congratulation! Der Prime Minister träumt von einer Freihandelszone ohne Regelung des Wettbewerbs und will die eigenen Fischfanggebiete von der britischen Marine schützen lassen. So wird das nichts, Mr. Johnson, und doch ist der Brexit jammerschade; nicht bloß weil Großbritannien der zweitgrößte Nettozahler der EU war und einen Platz im Weltsicherheitsrat hat.
Back to Control. Das wünschen sich sicher auch die Freund*innen des Humboldt Forums, das nach angeblich Corona bedingten Verzögerungen am Mittwoch eröffnet wurde, erst einmal nur digital. Der Neubau des Stadtschlosses in der Mitte Berlins mit 750 Metern neuer Barockfassade erhitzt weiter die Gemüter. Das "größte Kulturprojekt Europas" hat sich dem interkulturellen Dialog verschrieben und schmückt sich mit Raubkunst, deren Provenienz gar nicht mehr geklärt werden muss. Die Kuppel der Rekonstruktion ziert ein Kreuz mit der Inschrift: "Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind." Pünktlich zur Eröffnung hat Nigeria seine Forderung erneuert, dass die berühmten Benin-Bronzen zurückgegeben werden müssen. Das Projekt Hufo, wie es der Satiriker Jan Böhmermann schon zu nennen pflegt, überzeugt weder architektonisch noch konzeptionell und hat den Steuersäckel 700 Millionen Euro gekostet.
Die Berliner*innen werden sich an das neue & alte Stadtschloss in Mitte gewöhnen (müssen); einige Neugierige pirschten schon am letzten Wochenende vor der Eröffnung um das riesige Gebäude. Wir treffen ein Ehepaar in gesetzten Jahren, er jovialer Typ mit Zigarre wünscht uns schöne Feiertage. "Wir brauchen dieses Mal nicht zur Familie", feixt er vergnügt. Der harte Lockdown kennt also nicht nur Verlierer, doch ansonsten richten sich alle Hoffnungen auf die Impfungen, derweil die Bereitschaft mitzumachen sinkt. Warum also nicht die belohnen, die sich freiwillig (!) impfen lassen. Die Stuttgarter Zeitung hat schon einmal weitergedacht: "Wir steuern auf eine pandemische Zwei-Klassen-Gesellschaft zu: Könnte der Impfstatus über den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen und privaten Dienstleistungen entscheiden? Was ist, wenn etwa Fluggesellschaften, Hotels oder Fitnessclubs künftig Einblick in den Impfpass verlangen, um riskante Kundschaft fernzuhalten?" (18.12.20) Wir machen auf jeden Fall mit!
Erk Walter
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