© Karl Grünkopf
Blick von der Kampenwand auf den Chiemsee.
Schienenersatzverkehr! Ganz entspannt kommen wir am Bahnhof Zoologischer Garten an. Plötzlich beginnt die Hektik. Mit dem Gepäck rennen wir zu den Ersatzbussen, die zum Hauptbahnhof fahren. Hätten wir bloß ein Taxi genommen. Der Bus fährt gemütlich los, hält noch an weiteren zusätzlichen Punkten - und erreicht den Berliner Hauptbahnhof zu spät. Der gebuchte ICE nach München ist längst weg. Ab ins volle Reisezentrum der Deutschen Bahn, um die Zugbindung aufzuheben. Dort verspricht man uns Hilfe für die Weiterfahrt bei den Kolleg:innen in München. Pustekuchen. Als wir um 0.30h endlich dran sind, platzen alle unsere Hoffnungen. Da er die Zugnummer der ausgefallenen S-Bahn in seinem Programm nicht finden kann, darf (!) er uns nicht helfen - die DB zahlt weder ein Hotelzimmer noch ein Taxi. Was tun? Wir bieten 150,-- € für die Fahrt zum Chiemsee, die Chauffeure rufen 100,-- € mehr auf. Mit sanfter Stimme bietet schließlich einer seine Hilfe an. Der liebenswürdige Armenier arbeitet in der Medizinbranche und hat sechs Kinder. Seine Frau ist auch berufstätig; nur so können sie für die Miete in München aufkommen. Nebenbei fährt er manchmal Taxi. Als wir uns um 2.30h von ihm verabschieden, hat er noch eine Stunde Fahrt vor sich - und muss um 8.30h wieder aufstehen.
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen - und lernen. Demnächst werde ich nicht nur checken, ob der ICE pünktlich ist, sondern auch den Transfer zum Bahnhof. Fahrten, die man nie vergisst. Nach der Ankunft im Regen beginnen entspannte Sommertage. Einmal fahren wir mit den Freunden hoch auf die Kampenwand. Heute kann man hier kaum noch Ski fahren; die Zeiten, in denen der Schnee meterhoch lag und man stundenlang Schnee schaufeln musste, sind dahin. Die meisten Lifte in der Region wurden abgebaut und an Orte verkauft, wo der Wintersport noch ein paar Jahre möglich ist. Der seit Jahrzehnten vorhergesagte Klimawandel ist längst eingetreten, und jede:r weiß genau, was zu tun ist. Aber wir machen einfach weiter und wollen unseren Lifestyle nicht aufgeben. Nach uns die Sintflut!
Auf welch' tönernen (fossilen) Füßen unser Wohlstand steht, führt uns der Gas-Diktator Putin jeden Tag genüßlich vor. Die Zustimmung zum Ukraine-Krieg sinkt in Deutschland, auf die Solidarität der EU-Staaten bei einer Versorgungskrise im Winter sollte man hierzulande nichts geben. „Russlands Bruttoinlandsprodukt", hält die Süddeutsche Zeitung fest, "speist sich zu lediglich drei Prozent aus dem Gas. Europa braucht die Energie viel dringender als Moskau das Geld. Dieses Machtgefälle kann Putin jederzeit ausnutzen: Heute, morgen, bei minus zehn Grad. Es ist diese Ungewissheit, die Preise hochtreibt und Volkswirtschaften taumeln lässt. Eine Gasversorgungskrise trifft das Herz der Europäischen Union, den Binnenmarkt und damit die Wirtschaftsmaschine. Es ist Deutschland, der größte Profiteur dieses Binnenmarkts, das durch seine einseitige Energieabhängigkeit den Existenzkern der Gemeinschaft angreifbar gemacht hat." (22.07.22) Wir müssen uns warm anziehen, obwohl die Hundstage erst beginnen.
Erk Walter
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