© Céline Nieszawer / Port au Prince Pictures
Man at Work: der grandiose Mixer Philippe (Thimotée Robart).
Nach Monaten endlich mal wieder ins Kino - an einem lauen Sommertag. "Die Magnetischen" ist eine gute Wahl. Das Werk von Vincent Maël Cardona wurde als Bester Debütfilm mit einem César 2022 ausgezeichnet und hat glänzende Kritiken bekommen; auch Uwe Bettenbühl war begeistert in FRIZZ Das Magazin für Frankfurt. Der Film spielt im Jahre 1981 in der Tristesse eines französischen Dorfes, in dem zwei Brüder unter der Fuchtel ihres Vaters als Schrauber in seiner Autowerkstatt arbeiten. Zusammen betreiben die beiden einen Piratensender. Der große Bruder führt das große Wort, kann seine Existenz aber nur mit Drogen ertragen. Beim Militärdienst in Berlin bekommt der Kleine die Chance seines Lebens; er heuert beim britischen Militärradio als DJ an und legt für seine Flamme eine aberwitzige Performance mit Platten & Tapes hin - ganz großes Kino. Cardona erzählt seine Geschichte (das Buch stammt von ihm) in dichten Bildern, ist ganz nah dran an seinen Figuren und weiß die Musik der 80er Jahre effektvoll einzusetzen. Das Coming-of-Age von Philippe - so viel sei verraten - endet zum Glück nicht in der Provinz.
Vor vierzig Jahren war der Klimawandel noch kein Thema, die akut drohende Energiekrise noch in weiter Ferne. Erschreckend unbedarft nehmen sich die Antworten der Kino-Gruppe auf meine Frage aus, warum man den Saal so stark gekühlt habe. „Nach einer Weile mussten wir uns Socken und eine Fleece-Jacke anziehen“, schrieb ich Ihnen. „Die Klimaanlage tat ihr sinnloses Werk. Sicher ist es in Ihrem Kino möglich, weniger zu kühlen - und Energie zu sparen." Die Antwort einer Cosima ist nichtssagend, ich hake nach. Ein Lennart vom Gästeservice antwortet: "Leider lässt sich die Temperatur nicht so einfach umstellen. Die Entscheidung der Geschäftsleitung ist, die Temperatur so zu halten, wie sie ist. Eine Weiterleitung Ihrer Email an unsere Geschäftsleitung ist daher nicht notwendig. Wir bedanken uns für Ihr Feedback, werden allerdings keine Umstellungen vornehmen." Alle reden vom Frieren im Winter. Wie viel Energie durch Klimaanlagen im Sommer verschwendet wird, scheint (noch) niemanden zu interessieren. Warum eigentlich?
Das "Sommermärchen" der Stones in der Berliner Waldbühne hätten wir schon gerne erlebt, aber nicht um jeden Preis. Wir fahren stattdessen zum Schwimmen nach Brandenburg. Anfang Juli saßen wir danach noch bibbernd mit Mütze (!) und Jacke im "Fährhaus Caputh". Dieses Mal ist es richtig heiß, aber keine:r vermisst eine Klimaanlage. In dem kleinen Ort besaß der geniale Physiker Albert Einstein ein Sommerhaus. Dass man ihm fälschlicherweise Zitate unterschiebt, hätte ihn bestimmt köstlich amüsiert. Auf einer Schiefertafel eines Cafés ist zu lesen: "Der Mensch hat die Atombombe erfunden. Keine Maus der Welt käme auf die Idee, eine Mausefalle zu konstruieren." Das Wort stammt von dem Aphoristiker Werner Mitsch. Sein Buch "Das Schwarze unterm Fingernagel" (1983) ist nur antiquarisch zu bekommen. Ich werd's versuchen.
Erk Walter
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