© Rolf Hiller
Standing Ovations für “Ku’damm 56. Das Musical” im Großen Saal der Alten Oper Frankfurt.
“Der Ku’damm ist jetzt in Frankfurt”, befindet Dr. Markus Fein, Intendant der Alten Oper Frankfurt, in seiner Ansprache auf der Premierenfeier. Standing Ovations für “Ku’damm 56. Das Musical” im Großen Saal. Ohne die gleichnamige TV-Serie hätte ich allerdings den Plot nicht verstanden, andere haben damit überhaupt kein Problem. Erzählt werden Leben & Lieben der Inhaberin einer einst jüdischen Tanzschule in Berlin und ihrer drei Töchter. Raffiniert verwebt die zu Recht gefeierte Autorin Annette Hess in diese Geschichte den repressiv-autoritären Zeitgeist der 50er Jahre; jede & jeder hängt den eigenen Lebenslügen nach. Unter dieser Komplexität stockt gelegentlich der Flow der Story; das macht indes die Spiel- und vor allem Sangesfreude des Ensembles wett, allen voran Sandra Leitner als Monika.
“Berlin, Berlin, Du heiße Braut” singt am Ende der ganze Saal den Hit, den jedes Musical braucht; geschrieben haben alle Songs Peter Plate & Ulf Leo Sommer. Die Jungs aus der Hauptstadt sind auf der Premierenfeier locker unterwegs wie der Cast oder eine Drag-Queen, der ich – beileibe kein Fan von Social Media - ein Statement für Insta gebe. Nach dem Überschwang von “Ku’damm 56” ist am nächsten Morgen wieder Alltag in der Deutschen Bahn. Wegen Schäden an der Oberleitung nach dem Sturmtief geht die Reise nach Berlin mit einem Schlenker über Kassel. Vorher gibt es noch einen “außerplanmäßigen” Halt auf freier Strecke; zum Glück kann der Zugführer diesen Schaden beheben, was auch immer er da gewerkelt hat. Schienennetz und Fuhrpark der Deutschen Bahn sind in keinem guten Zustand, Verspätungen und Zugausfälle an der Tagesordnung. Deshalb dürfen Züge aus Deutschland oft nicht mehr über die Schweizer Grenze fahren - sie würden die funktionierende Bahn-Logistik dort ausbremsen.
Dass die Vorstände des Staatskonzerns satte Boni für eigentlich selbstverständliche Leistungen kassieren, passt ins desolate Gesamtbild und wird von Claus Weselsky, dem Chef der GdL, zu Recht angeprangert. Im Januar könnte seine Gewerkschaft fast den gesamten Bahnverkehr lahmlegen. Wahrscheinlich sind dann auch die Bauern mit ihren Traktoren auf der Straße, um gegen die Streichung ihrer Subventionen zu protestieren. Unmut & Mängel allenthalben in Deutschland, wo immer man hinschaut (Energie, Bildung, Gesundheitswesen, Wohnen). Vielleicht findet die Regierungskoalition, die in den Umfragen derzeit zusammen schlechter steht als die CDU/CSU, über Weihnachten Kraft und Muße zu einer Bestandsaufnahme. Vielleicht bleibt sogar noch ein bisschen Zeit, um über die Situation und Perspektive der Ukraine nachzudenken. Die Sanktionen gegen Russland haben Putin nicht gestoppt, selbst mit weiteren Finanztransfers und Waffenlieferungen könnte die ausgepowerte Ukraine den Krieg verlieren. Und dann? Es ist nie zu spät für Besinnlichkeit.
Erk Walter
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