© Nina Skripietz
ENERGY IN IDEAS: DIE CDW STIFTUNG wurde 2011 von den Gründern und Hauptaktionären der SMA Solar Technology AG ins Leben gerufen. Der Stiftungsvorstand besteht aus Irene Cramer, Peter Drews und Reiner Wettlaufer. Mit dem Anspruch „Energy in Ideas” engagiert sich die Stiftung in ihren beiden Tätigkeitsfeldern „Energy“ und „Kultur“. Gemeinsam mit ihren Partner:innen treibt sie in Nordhessen die Energiewende voran und ermöglicht international die Entwicklung abgelegener Regionen mithilfe von Erneuerbaren Energien. Darüber hinaus setzt sie sich für einen starken Kunst- und Kulturstandort Kassel ein.
Die Folgen der Erderhitzung sind inzwischen auch schon in Nordhessen mit voller Wucht spürbar: Ende Juni haben in der Region Starkregen und Hagel Keller überschwemmt, Straßen und Gleise überflutet, Stürme haben Bäume entwurzelt und schwere Schäden an Autos und Häusern hinterlassen. In Ländern des globalen Südens ist die Lage schon seit langem dramatisch. Dort bedrohen klimabedingte Phänomene längst die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen.
Verantwortlich für die Erderhitzung sind das Verbrennen fossiler Rohstoffe und die daraus entstehenden Treibhausgasemissionen. Die bisherigen Anstrengungen zur Reduktion der Treibhausgase reichen nicht aus. Auch acht Jahre nach dem internationalen Klimaabkommen von Paris (siehe Kasten) steigt der jährliche Ausstoß dieser Emissionen an. Um ihn zu reduzieren, braucht es eine konsequente klimaneutrale Energiegewinnung. „80 Prozent der klimafeindlichen CO2-Emissionen sind energiebedingt. Dazu tragen Gebäude, Wärme, Verkehr und Industrie besonders bei“, sagt Thomas Flügge, Geschäftsführer der Kasseler cdw Stiftung. „Daher ist ein Umstieg von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas auf Erneuerbare Energien zwingend notwendig.“ Laut Weltklimarat muss deren Anteil an der globalen Energieversorgung bis 2050 von derzeit 20 auf über 70 Prozent ansteigen, um die katastrophalsten Folgen der Erderhitzung noch abwenden zu können.
Stand der regionalen Energiewende
Die cdw Stiftung begleitet und unterstützt den Wandel auf regionaler Ebene seit vielen Jahren. Sie baut Photovoltaikanlagen und stiftet sie, unter anderem an die Uni Kassel (siehe Kasten) und die Stadt Kassel. Die cdw Stiftung dokumentiert außerdem den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Nordhessen und liefert konkrete Zahlen zum Stand der regionalen Energiewende. Das ist wichtig, denn die Stadt Kassel will bis 2030 klimaneutral sein. Fest steht: Bis spätestens dahin muss die verbrauchte Energie zu 100 Prozent aus erneuerbaren lokalen und regionalen Energieträgern stammen. Wie stehen Kassel und die Region beim Zubau von Photovoltaik (PV), Windenergie & Co. aktuell da?
Die grundsätzliche Erkenntnis: „Seitdem die Jugendbewegung ‚Fridays for Future’ die Dringlichkeit des Handelns mit ihren Protesten in das öffentliche Bewusstsein gerückt hat, ist wieder Dynamik beim Zubau Erneuerbarer Energien“, berichtet Flügge. „Allerdings liegen wir noch weit hinter dem tatsächlich benötigten Zubau zurück.“ So haben die Wissenschaftler:innen des Kasseler Klimaschutzrates den notwendigen Zubau von PV in der Stadt Kassel und Windenergieanlagen (WEA) in der Region berechnet, den Kassel benötigt, um klimaneutral zu werden. In Nordhessen braucht es WEA mit 3.300 Megawatt (MW) installierter Leistung. Dies entspricht einer Verdreifachung der aktuell installierten Leistung. Bei der PV sind die benötigten Installationsraten noch anspruchsvoller. Die heutigen jährlichen Zubauraten von drei bis vier Megawattpeak (MWp) müssen bis 2030 verzehnfacht werden, um bis dahin die benötigte Gesamtleistung von 250 MW zu erreichen.
Positiver Trend bei Photovoltaik
Beim Zubau von PV-Anlagen setzt sich der positive Trend seit den „Fridays for Future“-Protesten fort. Während in den Jahren 2014 bis 2019 nur einmal ein Zubau von mehr als einem MW Leistung in Kassel erfolgte, werden seit 2020 Anlagen mit einer Gesamtleistung zwischen drei und fünf MW jährlich in der Stadt installiert. Das Plus bei PV ist dabei vor allem auf die Installation vieler Kleinanlagen zurückzuführen. Während die durchschnittliche Anlagengröße 2018 noch 28 Kilowattpeak (kWp) betrug, liegt der Wert in diesem Jahr nur noch bei zehn kWp. „Die Eigenheimbewohner:innen sind seit den Klimaprotesten und dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine deutlich aktiver als in den Vorjahren“, erklärt Flügge. „Nun müssen wir das enorme Flächenpotenzial der Industrie- und Gewerbegebäude sowie der Mietshäuser erschließen.“
Bei der Windkraft ist Kooperation zwischen der Stadt Kassel und den Kommunen im Umland gefragt, denn im Stadtgebiet stehen keine Flächen für WEA zur Verfügung. Neben den in Nordhessen bereits installierten Anlagen mit 832 MW Leistung befinden sich aktuell bereits weitere WEA mit 216 MW Leistung vor Inbetriebnahme und weitere Anlagen mit 793 MW Leistung im Genehmigungsverfahren. „Auch hier lässt sich durch den weiteren konsequenten Abbau politischer Hürden Tempo aufnehmen“, stellt Flügge fest. Eine weitere wichtige Möglichkeit, die Leistung von WEA zu erhöhen, sieht Flügge im Repowering bereits laufender Anlagen. Etwa die Hälfte der im Regierungsbezirk Kassel stehenden Anlagen haben eine Leistung von weniger als zwei MW. Demgegenüber haben die 2022 und 2023 installierten Anlagen eine Leistung von 4,5 MW. Eine einzige moderne Windenergieanlage mit fünf MW Leistung spart laut Flügge jährlich 10.000 Tonnen CO2 ein. Das entspricht dem jährlichen CO2-Ausstoß von etwa 1.000 Personen oder der CO2-Bindung von 800.000 Bäumen. „Windenergieanlagen sind in den vergangenen Jahren deutlich leistungsstärker geworden. Wenn wir installierte Anlagen leistungsfähiger machen, erhöhen wir den Energieertrag auf bereits erschlossenen Flächen. Hier gibt es ein enormes Potenzial“, betont Flügge.
PARISER KLIMAABKOMMEN GEGEN ERDERWÄRMUNG
2015 wurde auf der Klimakonferenz in Paris Geschichte geschrieben. Erstmals wurde das Ziel, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen, weltweit anerkannt. Nur so können die verheerendsten absehbaren Folgen des Klimawandels verhindert werden. Um unter einer Erderwärmung von 1,5 Grad zu bleiben, müssen die globalen Emissionen bis 2030 um 43 Prozent gegenüber 2019 gemindert werden. Die 1,5 Grad entstammen wissenschaftlichen Modellrechnungen und benennen den Grenzwert, ab dem es für das Klima unumkehrbare Konsequenzen gibt. Denn an diesem Punkt verändern sich sogenannte Kippelemente so dramatisch, dass daraus resultierende Prozesse nicht mehr aufgehalten oder rückgängig gemacht werden können („Point of no Return“). Zu solchen Kippelementen zählen zum Beispiel der Amazonas-Regenwald in Südamerika und die Mangrovenwälder im Senegal, die wichtig für das Weltklima und die Artenvielfalt sind.
Die Universität Kassel setzt schon seit Jahren darauf, Strom nachhaltig selbst zu erzeugen und durch Effizienzsteigerung einzusparen. Seit 2018 hat die Hochschule sieben Photovoltaikanlagen in Betrieb genommen, die jährlich mehr als 360 Megawattstunden Strom erzeugen. Unterstützt wird dieser Zubau durch eine Kooperation mit der cdw Stiftung, die die Anlagen gestiftet hat. Dafür verpflichtet sich die Uni, die dadurch eingesparten Kosten direkt wieder in Maßnahmen zur Energieeffizienz oder regenerativer Energieerzeugung zu investieren. Diese Finanzierungslogik wendet die Uni seit 2017 an. Mit einer Anfangsinvestition von 350.000 Euro hat die Hochschule einen selbst beschleunigenden Effekt in Gang gesetzt: Einsparungen ermöglichen Investitionen, die zu mehr Einsparungen führen. Mit diesem sogenannten Intracting-Prinzip hat die Uni nach fünf Jahren bereits eine jährliche Kosteneinsparung von 600.000 Euro. Mit dem immer wieder neu investierten Geld lautet die Prognose, dass nach 15 Jahren jährlich drei Millionen Euro Energiekosten gegenüber dem Ausgangsjahr eingespart werden, sodass auch der Universitätshaushalt entlastet werden kann. So wird mit wirtschaftlichem Gewinn der CO2-Ausstoß vermindert und die Abhängigkeit von teuren Energielieferungen deutlich reduziert.