Seit nunmehr 20 Jahren engagiert sich der Verein für das Weltkulturerbe. Nach dem erfolgreichen Bewerbungsprozess, an dem der Verein durch Aktivierung des stadtgesellschaftlichen Engagements einen großen Anteil hatte, erfolgte am 23. Juni 2013 die Ernennung. Die Ernennung bedeutete jedoch Aufgabe und Verpflichtung, sich tatkräftig für dieses kulturelle Erbe einzusetzen. Deshalb orientierte sich die folgende Arbeit des Vereins an der Fragestellung: Was bedeutet es, eine Welterbestätte zu sein? Diese Kursänderung, diesen Impuls in die Stadtgesellschaft zu tragen, bestimmt seitdem weitgehend die Vereinsarbeit. Wir haben uns mit Brigitte Bergholter, der 1. Vorsitzenden des Vereins Bürger für das Welterbe, getroffen und mit ihr über weitere Themen rund um das Weltkulturerbe gesprochen.
Im Spätsommer 2021 feierte der Verein Bürger für das Welterbe sein 20-jähriges Jubiläum. Ein Rückblick: Was war der größte Erfolg?
Zweifellos war die Anerkennung des Bergparks Wilhelmshöhe als Weltkulturerbe im Sommer 2013 der größte Erfolg des Bewerbungsprozesses, an dem der Verein einen großen Anteil hatte. Seine Anstiftung zur Bürgerbeteiligung auf dem Weg zum Welterbe erfüllte den Anspruch der UNESCO. Durch eine Vielzahl von Veranstaltungsformaten konnte der Verein die Stadtgesellschaft motivieren und so wurde das Welterbe in Kassel zum öffentlichen Thema. Auch der neu gegründete „Runde Tisch Kasseler Kulturgesellschaften“ begeisterte sich und trug die Bewegung für das Welterbe in den Kreis seiner rund 6000 Mitglieder hinein.
Was passierte, nachdem der Bergpark Wilhelmshöhe zum Weltkulturerbe ernannt worden war?
Die Anerkennung war das schönste Geburtstagsgeschenk, das die Stadt Kassel 2013 zu ihrem 1100. Jubiläum erhalten konnte, stellt sie doch eine einzigartige Verbindung dar zwischen der wechselvollen Geschichte der Stadt, die durch Zerstörung und Wiederaufbau gekennzeichnet ist, und ihrem unverwechselbaren Kulturerbe. Das „Geschenk“ bedeutete jedoch Aufgabe und Verpflichtung, sich tatkräftig für dieses kulturelle Erbe einzusetzen. Deshalb orientierte sich die weitere Arbeit des Vereins an der Fragestellung: „Was bedeutet es, Welterbe zu sein?“
Man kann den Titel aber auch wieder verlieren. Könnte dem Bergpark Wilhelmshöhe das auch passieren?
Die Gefahr der Aberkennung des Titels besteht meines Ermessens nicht, denn sowohl die MHK (Museumslandschaft Hessen Kassel) als auch der Welterbebeirat, der in seinem jährlichen Monitoring-Treffen Erfolgskontrolle, Prüfung der Zielsetzung und strategische Ausrichtung diskutiert, sorgen für den Schutz, damit keine Beeinträchtigungen das Welterbe gefährden. Unsere Erfahrungen und Beobachtungen zeigen aber auch, dass die Mehrzahl der Besucher und Besucherinnen respektvoll und angemessen mit dem Kulturerbe umgehen.
Es gibt immer wieder Ärger, weil Leute gegen die Parkordnung verstoßen?
Unser Bergpark ist kein Museum, wir zäunen ihn nicht ein, er steht allen Besuchern offen, die einzigartige historische Schönheit dieser Anlage zu genießen. Das erfordert jedoch besondere Regeln des Umgangs miteinander und den schützenswerten Anlagen. Die Parkordnung sieht das Anleinen von Hunden und das Fahrverbot für Radfahrer vor. Angestrebt werden besondere Angebote für Menschen mit Beeinträchtigungen. Durch regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit und aufklärendes Aufsichtspersonal erreichen wir zunehmend ein verantwortungsbewusstes Besucherverhalten.
Wie will der Verein erreichen, dass die Menschen sorgsam mit ihrem Welterbe umgehen? Warum ist Ihre Arbeit so wichtig?
Um das Welterbe schätzen zu lernen, braucht es Information, Begegnungen und Auseinandersetzungen mit der vielschichtigen historischen Entwicklung der Kasseler Kulturlandschaft. Deshalb steht die Vermittlungsarbeit im Zentrum der Bemühungen des Welterbevereins. Hierbei sind vielfältige Kooperationen mit Kasseler Vereinen und Kulturgesellschaften für uns unerlässlich.
Die Jugendarbeit hat einen hohen Stellenwert: Was machen Sie da genau?
Welterbestätten sind Lernorte. Der Verein möchte die Kinder neugierig machen und sie anregen, sich mit IHREM Welterbe kreativ auseinanderzusetzen. Dazu geben wir Hilfestellung: didaktisches Material für Grundschulen, Wettbewerbe, Workshops, Führungen etc. Wir fördern erfolgreiche Projekte und zeichnen sie aus.
Hat der Verein noch weitere Aufgaben?
Neben regelmäßigen Förderprojekten zum Schutz und Erhalt der Welterbestätte, wie es unserer Satzung entspricht, suchen wir in der öffentlichen Diskussion Stellung zu beziehen zu stadt,- landschafts- und verkehrsplanerischen Anliegen. Eine weitere Aufgabe sehen wir in der Vernetzung unserer Arbeit mit anderen Welterbestätten in der Region.
Gestatten Sie uns noch ein paar persönliche Fragen. Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit am besten?
Die vielfältigen Impulse, die uns der Park immer wieder neu gibt, führen uns zu einer ständigen Erweiterung unseres Erfahrungs- und Aufgabenfeldes. Das wachsende Vereinsleben, die engagierte Mitarbeit vieler Menschen und die Kreativität unserer Vorstandsarbeit bereichern mich.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Für die zukünftige kulturelle Entwicklung der Stadt Kassel wünsche ich mir, dass unsere Vermittlungsarbeit dazu beiträgt, dass die Kasseler Stadtgesellschaft sich mit dem Welterbe als ihrem Schatz identifiziert im Verbund mit den beiden anderen internationalen Weltmarken, der documenta und dem Erbe der Brüder Grimm. Und ich bin mir sicher: Wer selbst begeistert ist, kann auch andere begeistern!