Keine Zeit für analoge Fahrten. © Rolf Hiller
Flockdown im Norden Deutschlands, eisige Temperaturen. Tunlichst meidet man bei solcher Wetterlage die Autobahnen und Intercity-Verbindungen der Deutschen Bahn. Ich habe keine Lust auf eine Winterreise mit ungewissem Ausgang und verschiebe die geplante Fahrt zum Verlag nach Frankfurt; es geht ja fast alles digital inzwischen. Die Meetings per Teams oder Zoom sind längst Routine geworden, das vernetzte Arbeiten auf unterschiedlichen Plattformen auch. Manchmal telefoniere ich sogar noch und weiß den direkten Austausch durchaus zu schätzen; so lassen sich überflüssige never ending Mail-Orgien vermeiden. Beim Telefonat hört man die Stimme des Gegenübers, kann sensibler aufeinander eingehen und schnell eine Position relativieren, die in einer Mail zementiert würde.
Diese Woche dann wieder das inzwischen sattsam bekannte Ritual der Bund-Länder-Gespräche zur Corona-Lage. Kakophonie vorher, Kakophonie nachher. Peter Altmaier tat schon am letzten Wochenende per Interview kund, die Beschränkungen könnten noch bis Ostern währen. Solch einen Optimismus wünschen wir uns von einem Wirtschaftsminister, der sein Amt nicht im Griff hat. Ansonsten: Kanzlerin Merkel konnte sich mit ihrem Vorschlag zur Verlängerung der Einschränkungen bis Mitte März nicht durchsetzen; dafür erhalten die Bürger*innen am 1. März ihre "Würde" (Söder) zurück: die Friseursalons dürfen zur allgemeinen Überraschung wieder öffnen. Und wir haben plötzlich eine neue Benchmark. „Was eben noch 50 war, ist jetzt 35", bilanziert die Neue Osnabrücker Zeitung. "Tatsächlich bleibt ärgerlich, dass Bund und Länder die Zielwerte für ihre Lockdown-Lockerungen fortlaufend ändern. Mal das Gesundheitssystem, dann die Nachverfolgung, dann der eine Inzidenzwert, dann der andere." (12.02.21)
„Never let a good crisis go to waste“, hat Winston Churchill einmal gesagt. Zunehmend entwickeln die Bühnen hierzulande neue Angebote - Live-Streams sind das Format der Stunde. Im Schauspiel Frankfurt etwa konnte das Publikum in aller Welt Franz Schuberts "Die Winterreise" in einer "komponierten Interpretation" von Hans Zender erleben, mit dem wunderbaren Tenor Julian Prégardien und dem Ensemble Modern. Immerhin 250 Interessierte besorgen sich ein Ticket und erleben die Premiere am 6. Februar; selbst das Inforadio in Berlin bringt eine Premierenkritik des geschickt orchestrierten Liederzyklus. Und alle Sender melden heute, dass Chick Corea, einer der bedeutendsten Pianisten des Jazz, diese Woche gestorben ist. Ich höre das erste Album, das ich mir 1972 von ihm gekauft habe: "Return to Forever".
Erk Walter
Weitere Beiträge https://wahnundwerk.blog