© Rolf Hiller
Krise in der Frankfurter City: neben Karstadt müssen auch andere Häuser schließen.
Zum letzten Mal fahre ich in das Parkhaus von Karstadt. Das riesige Kaufhaus mit 38.000 qm Verkaufsfläche mitten auf der Zeil in der Frankfurter Innenstadt wird geschlossen. Der Ausverkauf läuft, doch der Andrang der Kund*innen hält sich in Grenzen - deprimierende Endzeitstimmung. Im Shopping-Center "My Zeil" - ein paar Meter von Karstadt entfernt - stehen die Ladenflächen von AppelrathCüpper wohl zur Disposition; der Modehändler durchläuft gerade ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Beschlossene Sache ist dagegen das Ende von Esprit - das Modehaus macht seine vier Etagen auf der Zeil dicht. Doch damit nicht genug: Karstadt Sports an der Hauptwache macht auch zu, das Café Hauptwache in bester Citylage ist pleite. Ins traurige Bild passt, dass der Club Gibson auf der Zeil und die E-Kinos an der Hauptwache wegen Corona derzeit geschlossen sind.
Die Gründe für die Krise des Einzelhandels, die sich so dramatisch auf der umsatzstärksten Einkaufsstraße Deutschlands mit der höchsten Besucherfrequenz ausdrückt, sind bekannt. Gegen den Onlinehandel kommen die Dickschiffe nicht mehr an, es fehlen (nicht nur) in der Frankfurter Innenstadt (chinesische) Touristen, Messegäste und natürlich die Leute, die nicht mehr in den Büros in der City, sondern zu Hause arbeiten. Was ist zu tun? Den Optimismus von sog. Projektentwicklern teile ich nicht; die Experten empfehlen eine Mischung aus Wohnnutzung und kleineren Ladenkonzepten. Jede Krise ist eine Chance. Dieses Wort wird in der Pandemie gerne bemüht, und vielleicht bietet der kommerzielle Kahlschlag auf der Zeil eine unverhoffte Möglichkeit, das Zentrum in Frankfurt zu urbanisieren. Bekanntlich lassen sich Oper & Schauspiel nicht mehr sanieren - die Häuser müssen abgerissen und neu gebaut werden. Warum nicht auf der Zeil? Warum nicht ein architektonisch markantes Zeil-Theater für die beiden Sparten als Symbol für die Wiederbelebung der Innenstädte durch Kultur und für Menschen?
Der Ticket-Automat in der ersten Ebene des Parkhauses ist kaputt, und ich muss weiter hinauf. Im dritten Stock klappt es. Weder dort noch in der vierten oder fünften Etage parkt ein Auto! Keine Kunden nirgends. Ich denke an die Freunde von der SPD. Die Parteivorsitzende Saskia Esken bringt ein Linksbündnis ins Gespräch. Tags darauf präsentiert "die alte Tante" Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten; der Bundesfinanzminister wird dem rechten Flügel zugerechnet, macht derzeit einen guten Job und ist der beliebteste Politiker seiner Partei. Den Projektentwicklern der deutschen Sozialdemokratie ist indes schon lange das politische Gespür abhanden gekommen. Wozu braucht diese 15%-Partei jetzt überhaupt schon einen Kanzlerkandidaten?
Erk Walter
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