©️ Karl Grünkopf
Late Night Shopping in Jaipur.
Lost in Time. Was haben wir vor vier Tagen, was vorgestern alles unternommen. Wenn ich nachts einmal wach liege, fahre ich die Tour noch einmal. Die Reise durch Rajasthan beginnt am letzten Freitag. Längst haben wir uns daran gewöhnt, dass auch auf den Autobahnen jeder fährt, wie er will. Mal überholen wir die Laster rechts, dann links, mal kommen uns Autos, Motorbikes oder Tuk Tuks (Motor-Rikshahs) entgegen. Selbstverständlich queren Bullen und Fußgänger den Indian Highway, Kamelkarawanen stören niemanden. Das Chaos ist Prinzip, und trotzdem rollt der Verkehr, ohne dass sich irgendjemand aufregt. In unserem Heritage Hotel treffen wir die Freunde wieder, die ein paar Tage mit uns unterwegs sind, obwohl oder weil ihre Zeit in Indien bald zu Ende geht. Sie haben mit ihrem Reisebüro diese Rundreise geplant, ohne sie wäre uns dieser faszinierende Subkontinent der vielen Klassen, Kulturen und Religionen noch fremder geblieben. Nichts verstehen wollen, hinnehmen und erleben.
© Gitti Grünkopf
Crash kurz vor dem Ziel.
Im tosenden Verkehr schaukelt uns der Fahrer in die rote Altstadt von Jaipur. Ich lasse mir die Haare schneiden inklusive Kopfmassage; wir schlendern durch enge Gassen, Bikes rasen an uns vorbei, gemütlich quert auch mal eine Kuh unseren Weg. Tags darauf sehen wir das berühmte Fort und den Palast der Winde, dann geht‘s weiter nach Bundi. An Rindern, Hunden, Schweinen und Affen vorbei spazieren wir den Weg hinauf zu einem Fort, das kurz vor der abendlichen Schließung nur noch wenige Touristen sehen wollen, die meisten übrigens aus Indien. Die Freundin führt uns zu einem kleinen Laden eines Webers; wir warten geduldig in der Männerecke. Mit den letzten Rupies ins The Palace View Restaurant, wo der gerne lachende Wirt und seine Schwiegertochter wunderbar für uns kochen; irgendwo im Internet sind unsere Fotos zu sehen. Weiter über Chittorgarh ins schönste Hotel dieser Reise - der alte Maharadscha-Palast in Udaipur liegt direkt am See (Fototapetenbilder: kein Problem). Vor der Idylle fährt uns der Schrecken in die Glieder. Beim U-Turn kracht es. Ich sehe, wie die Leute panisch den anderen Wagen verlassen, aus Angst, weitere Fahrzeuge würden hineinfahren. Mit zwei Tuk Tuks weiter ins Hotel, der eingedellte Kotflügel unseres Toyota ist schon am nächsten Tag ausgebeult.
© Gitti Grünkopf
Blick von der Hotelterrasse über den See in Udaipur.
Unsere Wege trennen sich wieder. Die Freunde reisen via Delhi nach Kalkutta; unsere letzte Station in Rajasthan heißt Jodhpur. Zwischendurch halten wir am weltberühmten Tempel der Jain aus dem 15. Jahrhundert. “Bekannt ist der Jainismus für das Ideal der Nichtverletzung von Lebewesen. Jainas ernähren sich so, dass keine Tiere dafür leiden oder sterben müssen und Pflanzen nur im unvermeidlichen Maß geschädigt werden.“ (Wikipedia) Unsere Rundreise durch Rajasthan voller Eindrücke und Erlebnisse nähert sich dem Ende. Die Einfahrt zum Fünf-Sterne-Haus nimmt sich wie das Entree beeindruckend aus, die Zimmer eher nicht. Erst das dritte (!) rechtfertigt den Hotelauftritt im Internet. Gut so! Denn von den letzten Besichtigungen komme ich mit Fieber zurück und sinke erschöpft ins Bett - 39,34 Grad. Zum Glück haben wir uns mit indischem Aspirin versorgt. 20 Tabletten Disprin kosten 22 Rupies, ungefähr 25 Cent. Das gegenwärtige Äon gilt den Jain übrigens als ein Zeitalter des Verfalls. Wer wollte ihnen da widersprechen.
Erk Walter
Weitere Beiträge wahnundwerk.blog