© Rolf Hiller
Campus-Kino mit "Olaf Jagger" in der Stasi-Zentrale.
Glück gehabt! Wir erreichen gerade noch rechtzeitig die ehemalige Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg - nicht zum Verhör (diese Zeiten sind zum Glück vorbei!), sondern zum Filmabend. Im August gibt es dort die schöne Reihe “Campus-Kino. Filme in der Stasi-Zentrale". Der Eintritt ist frei und der Zuspruch groß. Die Stühle stehen dicht an dicht; dafür gibt’s genug Platz für die Beine. Wir ergattern noch zwei Plätze in der Mitte, die Dämmerung setzt ein. Film ab. Zu sehen ist an diesem Abend “Olaf Jagger”, eine sogenannte Mockumentary, also ein fiktionaler Dokumentarfilm. Mit Olaf Schubert, dem Alter Ego des Dresdener Multitalents Michael Haubold, lassen wir uns auf eine skurril-witzige Spekulation ein. Was wäre, wenn seine Mutter, die beim legendären DDR-Jugendsender DT64 gearbeitet hat, beim ersten Konzert der Rolling-Stones 1965 in Münster auf Mick Jagger getroffen und der One-Night-Stand nicht ohne Folgen geblieben wäre?
Dass Paula Hartmann, der Shooting Star im deutschen Pop, als Vorgruppe zu Peter Fox gebucht wurde, war schon eine Sensation. Zum Abschluss ihrer durchweg ausverkauften Tour im Frühjahr rockte die 21-jährige Sängerin in Berlin Huxley’s Neue Welt. Sie kommt sehr gut an, hat eine tolle Bühnenpräsenz und wirkt authentisch. Freilich war die Waldbühne für sie noch ein paar Nummern zu groß. Paula Hartmann und ihr DJ Friso geben ihr Bestes. Aber das Publikum im beeindruckenden Rund der Waldbühne wartet vor allem auf den Hauptact. Kaum betritt Peter Fox endlich die Bühne, springen alle auf; die große Party beginnt. Mit seinem Album “Stadtaffe” (2008) sorgte der zweite Front-Mann von Seeed (neben Frank Delay) für Furore und füllte die Hallen. Die “Love Songs” aus diesem Jahr können da nicht mithalten, doch das tut der Stimmung an diesem Abend keinen Abbruch. Immer wieder ruft Pierre Baigorry alias Peter Fox das Keyword “Berlin”, das nicht nur in der Waldbühne trefflich funktioniert.
Mitten im Konzert erreicht uns die Eilmeldung, dass Jewgeni Prigoschin, der skrupellose Chef der Gruppe Wagner, bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Moskau ums Leben gekommen sei; auf den Tag zwei Monate nach dem versuchten Putsch gegen das Putin-Regime. Mit einem Zaren sollte man sich nicht anlegen, und einem Zaren die Wahrheit um die Ohren hauen erst recht nicht. Putin bezeichnete seinen einstigen Günstling in einer Kondolenzadresse als “fähigen Mann”, der aber “schwere Fehler” begangen habe, womit er sich trefflich selbst charakterisiert hat. “Kurz nach der Niederschlagung des Wagner-Aufstands", spekuliert die türkische Zeitung Yeni Şafak, “sagte Putin, dass er alles verzeihe, Verrat aber niemals. Wenn man sich diese Worte in Erinnerung ruft, könnte man denken, dass der Befehl für den Abschuss aus Moskau kam.” (25.08.23) Prigoschins Präsenz nach dem Putsch muss für Putin eine einzige Provokation gewesen sein. Nicht bloß da verstehen Diktatoren keinen Spaß.
Erk Walter
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