© Rolf Hiller
Kunstscheune heißt sie bei den Berlinern, „berlin modern“ ist der offizielle Name des gewaltigen Gebäudes am Kulturforum.
Das Kulturforum in Berlin ist städtebaulich eine Katastrophe. Ohne Zusammenhang stehen dort die schöne St. Matthäus-Kirche, die Neue Nationalgalerie und die Philharmonie. Dahinter verstecken sich das Kupferstichkabinett, das Kunstgewerbemuseum, die Kunstbibliothek und die Gemäldegalerie. Ein kulturell bedeutsamer, aber unwirtlicher Ort. Der Bau eines Museums der Moderne hätte die Chance eröffnet, das Kulturforum urban neu zu gestalten. Das hatte der Architekt Stephan Braunfels vorgeschlagen, doch den Wettbewerb 2016 gewannen die Star-Architekten Herzog & de Meuron, deren Namen hierzulande mit der Hamburger Elbphilharmonie verbunden sind. Was nun hier an prominenter Stelle in der Hauptstadt entsteht, davon bekam man an den “Tagen der offenen Baustelle” eine Vorahnung. Das mehrfach umgeplante Museum, das “berlin modern” heißt, dominiert mit seiner wuchtigen Größe das Kulturforum. Ein Solitär ohne Rücksicht auf die Umgebung. Durch diverse Umplanungen haben sich die Baukosten von ursprünglich 149 Millionen Euro nun schon auf 526 Millionen verdreifacht, aber dabei wird es sicher nicht bleiben. Die Fertigstellung ist für 2028 geplant; der Termin dürfte nicht zu halten sein.
Donald Trump, dessen zweite und letzte Amtszeit voraussichtlich am 20. Januar 2029 endet, wird es jedenfalls nicht bedauern, die Eröffnung des teuersten deutschen Museums zu verpassen. Von einem Interesse des amerikanischen Präsidenten an Moderner Kunst ist nichts bekannt, zudem schätzt er Protz und Prunk. Den Bau eines Festsaals am Weißen Haus in neoklassizistischem Stil, der rechtzeitig zum Ablauf seiner Amtszeit fertig werden soll, hat er dank angeblich präsidentieller Befugnisse verfügt. Die geschätzten Kosten belaufen sich auf 250 – 300 Millionen US-Dollar und sollen von „großzügigen Patrioten, großartigen amerikanischen Unternehmen und mir selbst” (O-Ton Trump) finanziert werden. Seine Vasallen aus den Tech-Konzernen werden sich gewiss nicht lumpen lassen und unterstützen sicher die Feudalisierung der amerikanischen Gesellschaft. Immerhin demonstrierten am letzten Wochenende 7 Millionen US-Bürger:innen gegen Trump. “Die ‘No Kings’-Bewegung ist eine landesweite Protestwelle in den USA, die sich gegen die als autoritär empfundenen Maßnahmen von Präsident Donald Trump richtet – insbesondere im Zusammenhang mit dem Bau des sogenannten Trump-Festsaals im Weißen Haus”, schreibt die KI von Microsoft.
Vorschlag der KI für einen neoklassizistischen Festsaal im Weißen Haus.
Das Theater am Schiffbauerdamm dürfte Donald Trump aber gefallen. Das Haus des Berliner Ensembles ist Ende des 19. Jahrhunderts im Stil des Neobarock errichtet worden. Die opulente Ornamentik im Zuschauerraum ist für uns ästhetisch immer wieder eine Zumutung; trotzdem kommen wir gerne in eines der wichtigsten Theater Deutschlands. Kaum hat der fabelhafte Jens Harzer mit seiner 100 Minuten langen Solovorstellung begonnen, vergessen wir die zu niedrigen und durchgesessenen Stühle im Parkett. Das Haus ist bis auf den letzten Platz ausverkauft. Alle wollen das Theaterereignis der noch jungen Saison erleben. In der Regie des Hausherrn Oliver Reese gibt Jens Harzer den Schriftsteller Oscar Wilde, der wegen der Denunziation seiner Homosexualität zwei bittere, erniedrigende und zerstörerische Jahre in Einzelhaft und Zwangsarbeit verbringen muss. Wie der Träger des Iffland-Ringes Jens Harzer den Brief “De Profundis”, den Oscar Wilde an seinen selbstsüchtigen Geliebten schrieb, auf die Bühne bringt, ist ein Erlebnis, das man nie vergisst.
Erk Walter
Weitere Beiträge wahnundwerk.blog