© Rolf Hiller
Kopfstand kann der Bär auch.
Morgens ist die Welt noch in Ordnung. Wir radeln entspannt zur Nelson Mandela Schule in Berlin-Wilmersdorf und geben unsere Stimmen ab. Nach der sog. Skandalwahl von 2021 wollte man alles besser und richtig machen - es gibt genug Wahlhelfende (Aufwandsentschädigung: 240 Euro pro Kopf) und Wahlkabinen. Geht doch. Die Wahlwiederholung kostet schlappe 40 Millionen Euro und endet mit einer Überraschung. Die SPD hat 113 Stimmen mehr als Die Grünen inkl. der verspätet in Lichtenberg ausgezählten Briefwahlstimmen. Klarer Sieger dieser Wahl ist die CDU; mit ihrem Spitzenkandidaten Kai Wegner holte die Partei 28,2 % der Stimmen und 9 der 12 Bezirke. Wenn es Wegner nicht gelingt, eine Koalition zu schmieden, bleibt er aber ein König ohne Land. Keine Lösung für die Stadt wäre, wenn die rot-grün-rote Koalition in derselben Konstellation irgendwie weiterwurschtelt.
Was tun? Ein kluger Vorschlag kommt von Hamid Djadda. Djadda who? Er ist Besitzer der Ohde Marzipanfabrik in Neukölln - dort hat die einstige Bezirksbürgermeisterin und SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey ihr Direktmandat übrigens verloren - und Eigentümer der Avus-Tribüne, die er vor dem Verfall bewahrte. Er schlägt eine große Koalition aus CDU, SPD und Grünen vor. "Warum eine Dreierkoalition mit den Grünen?", fragt der Tagesspiegel (13.02.23). "Weil sie so eine Zweidrittel-Mehrheit haben und man, um größere Probleme zu lösen, die Verfassung ändern muss. Das geht nur so." Recht hat er. Eines der vielen Probleme dieser Stadt ist das Kompetenzwirrwar, das in der zweistufigen Verwaltung aus Senat und Bezirken begründet ist. Djaddas klare Analyse & Diagnose wünschte man den vielen Piefkes & Postenhubern in der Berliner Politik. Könn wa nich, wolln wa nich ändern, ist ihre Devise. Parteiübergreifend!
Tappst der Bär mit schwerem Gepäck durch die Untiefen der Berliner Politik, fängt er am Potsdamer Platz an zu steppen. Berlinale is back, heißt es allenthalben. Stars wie Kristen Stewart, Anne Hathaway, Steven Spielberg, Sean Penn oder Cate Blanchett sind in der Stadt, der Eröffnungsfilm und der erste Wettbewerbsfilm sind klasse - die Stimmung ist gut, und die Erwartungen sind hoch. Endlich wieder Kino ohne Corona! Wir sitzen in einem der frisch renovierten Säle des CinemaxX in Reclinern aus feinem Leder und erleben die herrlich schräge Liebesgeschichte einer Schlepperkapitänin mit einem kleinwüchsigen Komponisten ("She came to me" von Rebecca Miller). Tags drauf sehen wir "BlackBerry" von Matt Johnson nach dem Bestseller "Loosing the Signal" - Aufstieg & Fall einer Marke mit schrägen Nerds und skrupellosen Zockern. "Junge, die Welt ist schön" von Tony Marshall haben diese guys bestimmt nie gehört. Gestern starb der "Stimmungsmacher der Nation". Jetzt muss der Bär ohne ihn weiter steppen.
Erk Walter
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