Unter den Schlagworten Hexen und Mac wurde dieses Bild von der KI generiert.
Buhrufe bei der Premiere in der Deutschen Oper Berlin. Einige im vollbesetzten Haus sind hörbar nicht vom Konzept der Regisseurin Marie-Ève Signeyrole überzeugt. Die Französin, die viel für das Kino arbeitet, setzt die Hexen in Giuseppe Verdis Macbeth an Apple-Computer – das Dämonische wird digitalisiert. Zu Beginn der Oper erleben wir in Großaufnahme eine allwissende Datenhexe, die ihre Macht der Allmacht der Algorithmen verdankt. Dieser Ansatz bleibt der Inszenierung indes vollkommen äußerlich und vermittelt sich nicht in der Aufführung. Macbeth bleibt ein von Paranoia und Psychosen getriebener Feldherr, der unter dem Einfluss seiner Frau steht, schließlich zum Monster wird und in seinem Untergang seine wahre Bestimmung erlebt. Der düstere Stoff beeindruckt immer wieder, das Orchester und die Solist:innen überzeugen, aber die Datenhexen wirken wie ein Fremdkörper. Ein blutleerer Regie-Einfall.
Dabei haben die Daten und Algorithmen in der Realität längst die Macht übernommen, heimlich, still und leise. Jeder Fortschritt ist mit einer weiteren Digitalisierung verbunden. Neulich kaufte ich für den Verlag ein Notebook und musste wieder einen neuen Account einrichten. Alles so schön smart hier, alles unter Kontrolle. Die Macht der Tech-Konzerne ist in der Tat höchst beunruhigend, ebenso die Abhängigkeit von amerikanischen Companies. Europa hat dem (fast) nichts entgegenzusetzen, und es verheißt überhaupt nichts Gutes, dass Elon Musk in der neuen Trump-Administration für den Abbau der Bürokratie verantwortlich ist. Er schaltet und waltet nach Gutdünken und kontrolliert mittlerweile sogar den Weltraum. “SpaceX, sein Raumfahrtunternehmen, hat inzwischen mehr Satelliten im All als alle Regierungen zusammen.” (Tagesspiegel, 25.11.24). Ohne die Unterstützung von SpaceX würde etwa die Ukraine den russischen Angriffen nicht lange standhalten können.
Mit der Digitalisierung hatte es die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel bekanntlich nicht so, mit einer selbstkritischen Bestandsaufnahme ihrer Regierungszeit ebenso wenig. “Merkels Flüchtlingspolitik”, notierte ich mir am 14.09.2015, “ist genauso wenig durchdacht & spontaneistisch wie ihre Atompolitik: panisch wird auf eine Situation reagiert. Unfassbar!!” Davon ist in ihrer Autobiographie “Freiheit”, die sie mit Beate Baumann verfasste, nichts zu bemerken. Nicht nur die Passauer Neue Presse reibt sich verwundert die Augen. “Fehler? Irrungen? Gab es in den 16 Jahren ihrer Kanzlerschaft nicht, will Merkel uns glauben machen. Das Gas aus Russland, der Schmusekurs gegenüber Putin? Der überstürzte Atomausstieg nach Fukushima? Das Herunterwirtschaften der Bundeswehr? Die unkontrollierte Öffnung der Grenzen? Alles richtig gemacht, so lautet die Botschaft des Buchs, denn: Entscheidend sind die Umstände, unter denen Politik gemacht wird. So einfach ist das.“ (27.11.24) Diese bräsige Selbstgefälligkeit spielt den Populisten und der Politikverdrossenheit genauso in die Hände wie das unsägliche Lavieren & Taktieren der FDP. Fairness und Selbstreflexion sind keine Hexerei.
Erk Walter
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