© Karl Grünkopf
Nur einmal konnte der „Märchenkönig“ Ludwig II. von Bayern auf seinem Schloss übernachten.
„Heute hier, morgen dort. Bin kaum da, muss ich fort.” Die ersten Zeilen des bekanntesten Songs des Liedermachers Hannes Wader kommen mir auf unserer Reise immer wieder in den Sinn. Die Zeit verdichtet sich, vergeht im Fluge und dehnt sich gleichzeitig. Waren wir gestern noch in Chemnitz, sind wir nun drei Tage in München und zu Besuch bei einem Vetter. Tagsüber sitze ich am Rechner, abends wollen wir in den City Kinos “Miroirs No. 3” ansehen. Der neue Film von Christian Petzold mit u.a. mit Paula Beer und Matthias Brandt überzeugt nur in Teilen; insbesondere das Drehbuch des Regisseurs ist schwach und arg konstruiert. Am nächsten Tag stehen die Pinakothek der Moderne, ein Treffen bei Verwandten und ein Besuch im Marstall an, wo eine recht ordentliche Bühnenfassung des Romans “Nach Mitternacht” von Irmgard Keun gegeben wird.
Erinnerungen werden bei der Weiterreise am nächsten Tag wach – “Aufgrund einer unspezifischen Sprengstoffdrohung” (Warn-App) wird die Theresienwiese erst am Nachmittag geöffnet. 22.07.16 fuhren wir gerade nach München hinein, als ein später als rassistisch und rechtsextrem identifizierter Terroranschlag geschah und einen Großalarm auslöste. Niemand wusste, was genau geschehen war, das Olympiagelände und die umliegenden Straßen wurden abgesperrt. Wir saßen über Stunden im Auto fest, konnten unser Ziel unweit des Olympiageländes nicht erreichen. Immer wieder telefonierten wir mit unserem Verwandten, der versuchte, uns einen Schleichweg zu beschreiben, immer wieder brach das Telefonat ab. Ich saß in Habachtstellung am Steuer und suchte mit den Augen alles ab; insbesondere Kreuzungen waren in dieser Situation besonders unheimlich. Kurzfristig überlegten wir sogar, ein Hotel für die Nacht zu suchen. Nach bangen Stunden erreichten wir unser Ziel und verfolgten noch zu dritt bis zum späten Abend im TV-Reportagen und Bewertungen dieses Anschlags. Am nächsten Tag notierte ich: “Einzeltäter, aber kein Einzelfall. Schafft uns das? Da ich nachtrage, ist Reutlingen und Ansbach schon geschehen. Eine Woche der Anschläge liegt hinter uns.”
Am Chiemsee treffen wir allerbeste Freunde und wieder vergehen die Tage allzu schnell. Im frischen Frühherbstnebel setzen wir zusammen zur Insel Herreninsel über und bestaunen das riesige Neue Schloss Herrenchiemsee von Ludwig II. von Bayern, wo er nur einmal vom 7. bis 16. September 1885 übernachtet hat. Nach seinem mysterisen Tod im Jahr darauf wurde es nicht fertiggestellt, was der Pracht des ganzen Anwesens nicht schadet. Seit 2025 ist es Teil des UNESCO-Welterbes der Königsschlösser Ludwigs II. und ein Magnet für Touristen. In einem Teil mit sehr schönen, vom Putz befreiten Wänden gibt es regelmäßig Ausstellungen. Wir schauen uns „Könnt ihr noch? – Kunst und Demokratie“ an, aber ich bin nicht so recht bei der Sache. Trotzdem beeindruckt mich ein Satz von Picasso: “Man müsste unannehmbare Bilder schaffen. Damit die Leute (…) verstehen, dass sie in einer verrückten Welt leben, die nichts Beruhigendes hat.” Daran hat sich nichts geändert. Im Gegenteil.
Erk Walter
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