
© Patrick Schwarz auf Pixabay
Weniger ist mehr.
Wie lange kann man Politik als Reality TV machen? Jeden Tag eine Schlagzeile provozieren, Dekrete raushauen, Deals verkünden und sich zur Not auf die eigene Vergesslichkeit berufen. Der amerikanische Präsident Donald Trump scheint so seinen Job zu begreifen und scheut keine noch so geschmacklose Inszenierung. Die öffentliche Demütigung seines ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj, der vor drei Jahren in Amerika noch als Held bejubelt wurde, vor laufenden Kameras im Weißen Haus sei inszeniert gewesen, behaupten nicht wenige Beobachter und Experten. Man sollte Trump, der in Amerika durch die Reality Show “The Apprentice” bekannt wurde, alles zutrauen. “In wöchentlichen Folgen wurden zwei Teams mit einer Aufgabe betraut, deren Ergebnisse zum Schluss verglichen wurden. Ein Mitglied des verlierenden Teams wurde dann üblicherweise mit dem in den USA geflügelten Wort ‘You’re fired!’ (Du bist gefeuert!) aus dem Team entlassen und nach Hause geschickt.” (Wikipedia)
Die ersten 14 Staffeln moderierte Donald Trump, und diese Spielregeln prägen nun sein Verständnis von Politik. Ziel seiner Deals ist immer zu gewinnen, koste es, was es wolle. Wer mit dem Gedanken spielt, Grönland zu besetzen, um dort die Rohstoffe auszubeuten, für den sind Verträge null und nichtig; immerhin gehört Grönland zum Königreich Dänemark. Die Disruptionen der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik sind für good old Europe ein Schock, können sich aber auch als Vorteil erweisen. Denn Europa hat im globalen Wettbewerb nur eine Chance, wenn es endlich zu einem einigen Europa wird – mit einer Regierung und einem Wirtschafts- und Sozialsystem. Das sind derzeit noch Visionen, aber die Dinge ändern sich gerade rasend schnell. Der wahrscheinlich nächste Kanzler Friedrich Merz hat seine Wahlversprechen zurückgenommen; nun sollen die Schuldenbremse ausgesetzt und Militärausgaben davon ausgenommen werden. Das scheint die Wähler:innen nicht anzufechten – der aktuelle ARD-DeutschlandTrend entspricht fast exakt dem Ergebnis der letzten Bundestagswahl.
Herkulesaufgaben liegen nicht nur vor dem Kanzler in spe, Europa muss sich von Amerika und von China technologisch emanzipieren. Die Tech-Oligarchen aus dem Silicon Valley beherrschen (noch) das Internet und die Zukunftstechnologien. Wer kontrolliert etwa GPS, wer hat im Cloud Computing die Nase vorn, wer bei der KI? Beunruhigende Fragen für alle Menschen in Europa. Vielleicht wird Trumps MAGA-Politik einst als Weckruf für Europa gefeiert, vielleicht findet die EU wieder mit den Briten zusammen. Die Börsen reagieren wie erwartet negativ auf Trumps Strafzölle, die er nach Lust & Laune erhebt, und der Klimawandel schert sich erst recht nicht um seine Leugner. Schon lange schaue ich nur noch höchst selten analoges Fernsehen und Talk Shows erst recht nicht. Auf Great Television à la Trump und Social Media verzichte ich gern. Digital Detox hilft immer.
Erk Walter
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