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Italien ist immer noch ein Sehnsuchtsort der Deutschen, wiewohl wir uns gerne über die angeblich ineffektive Administration dort mokieren. Dazu besteht längst kein Grund mehr. Das weiß keiner besser als der amtierende Vizekanzler Olaf Scholz, der als Regierender Bürgermeister in Hamburg bei den Machenschaften der Warburg Bank (Stichwort Cum-Ex-Betrug) keine bella figura machte und als Finanzminister die politische Verantwortung für den Wirecard-Skandal trägt. Am Montag muss sich nun der sog. Scholzomat im Finanzausschuss den Fragen der Abgeordneten stellen - es geht um die Hausdurchsuchung im Zuge der Ermittlungen gegen die Financial Intelligence Unit (FIU). Diese Skandale perlen an ihm ab - Scholz und die SPD liegen im letzten ARD DeutschlandTrend vor der Wahl weiter vorne. Die Deutschen mögen es irgendwie weiter so, doch ⅓ der Wähler:innen ist nach wie unentschlossen, wem sie am 26. September ihre Stimme geben werden. Eine Green Card für Geimpfte & Getestete wird es nach der Wahl so bald nicht geben, denn es stehen schwierige Koalitionsverhandlungen an.
Im Land, wo die Zitronen blühen, sind derzeit 73% geimpft, davon 65% vollständig. Vorausschauend (!) wird trotzdem in Italien am 15. Oktober eine Green Card eingeführt; es gelten dann knallharte Regeln. Nur mit dieser Karte dürfen Arbeitehmer:innen zum Job, es sei denn, sie legen einen aktuellen Test vor, den sie natürlich selbst bezahlen müssen. Sollte jemand von ihnen in Quarantäne gehen, gibt es kein Geld vom Staat. In Frankreich hat die Anordnung einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen eine Million Anmeldungen zum Impfen gebracht. An einem Tag! Davon können wir hierzulande nur träumen. Die groß angekündigte Kampagne in dieser Woche zieht nicht richtig, die Impfuhr läuft (noch) viel zu langsam. Daran werden auch 2G oder 3G nicht viel ändern, so sehr jede Rückkehr zum normalen Leben zu begrüßen ist. Zur neuen Normalität wird es gehören, dass man sich vor dem Besuch einer Veranstaltung oder eines Restaurants über die geltenden Regeln informieren muss, Überraschungen nicht ausgeschlossen. So gab es bei einem fabelhaften Strawinsky-Abend in der Berliner Philharmonie plötzlich wieder eine Pause; das hatten wir schon fast vergessen.
Ihren letzten Triumph können Christo und Jeanne Claude leider nicht mehr erleben: von morgen an ist der Arc de Triomphe verhüllt, bis zum 3. Oktober. Zum Konzept ihrer Arbeit zählte immer die Befristung - und die Unabhängigkeit von Sponsoren. Der unvorstellbare Aufwand ihrer Aktionen finanziert sich durch den Verkauf von Druckgrafiken, Plakaten etc. und von den verwendeten Materialien nach dem Abbau. Seit den 60er Jahren träumte das Künstlerpaar von der Verhüllung des Arc de Triomphe und arbeitete an diesem Projekt. Zu empfehlen sind die Dokus "Christo und Jeanne-Claude" (noch bis 13.12.21) in der ARTE-Mediathek und "Der Pariser Triumphbogen" (bis 16.10.21). Noch nie habe ich ein Projekt von ihnen erlebt - es wäre die letzte Chance. In unserem Balkonzimmer hängt ein Druck ihrer Aktion "The Gates" aus dem Central Park in New York von 2005. Diese Arbeit hat mir mein Freund Axel vermacht; sicher wäre er nach Paris gefahren.
Erk Walter
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