© Rolf Hiller
An die Windräder, im Volksmund Spargel genannt, werden wir uns alle noch mehr gewöhnen müssen.
Volle Häuser, volle Züge. Wo war ich wann und warum in dieser Woche? Die Corona-Warn-App zeigt ”Begegnung an 1 Tag mit erhöhtem Risiko” am Sonntag, aber diese Warnungen versetzen niemanden mehr in Angst & Schrecken. Am Sonntag treffen wir vorm Theater Freunde zum Essen und ziehen dann weiter ins Berliner Ensemble. Gegeben wird ”Der Theatermacher” von Thomas Bernhard in einer Inszenierung des Hausherrn Oliver Reese. Immer wieder wurde spekuliert, wen von den Regietitanen seiner Zeit der Schriftsteller in seinem Stück wohl gemeint haben könnte. Die Figur ist naturgemäß so lächerlich wie boshaft und selbstgefällig. Stefanie Reinsperger - die Besetzung zumindest ist ein Coup – kapriziert sich auf die Lächerlichkeit und reduziert den Theatermacher zum bloßen Hanswurst. Alles ist übertrieben, alles ist zu viel – eine Knallcharge, die lang & länger wird. Thomas Bernhard hätte bestimmt zu einer Tirade über die Verhunzung seines Stückes ausgeholt.
Zwei Tage davor bei Tschechows ”Möwe” in der schaubühne verging die Zeit wie im Flug, obwohl es zuweilen in Thomas Ostermeiers Inszenierung doch recht albern zugeht. Und Mitte der Woche dann endlich wieder ins Kasseler “Theaterstübchen”, wo ich unvergessliche Konzerte erlebt habe. Der Laden stand Anfang des Jahres auf der Kippe, aber der unermüdliche und doch nicht mehr unverwüstliche Markus Knierim konnte Sponsoren gewinnen. Das Aki Takase Quintett spielt fabelhaft vor vollem Haus; zumindest die Gagen sind damit gedeckt. Das ist die Crux vieler Clubs: Ohne Subventionen und Partys zur Querfinanzierung kommen sie nicht über die Runden. Einvernehmen im Publikum nach dem Auftritt der Pianistin Aki Takase mit ihrem international besetzten Quintett: ein großartiges Konzert!
Im Frankfurter Hauptbahnhof steht eine Spielzeugeisenbahnanlage - ganz auf der Höhe der Zeit mit einem Windrad. Leider habe ich keine Muße, die Loks für einen Euro fahren zu lassen. Im Neuen Theater Höchst wartet das nächste volle Haus dieser Woche – das Varieté im Frühling ist bis auf den letzten Platz ausverkauft. Der Frankfurter Entertainer Jo van Nelsen führt mit Liedern der 20er Jahre durchs Programm, die Nummern der Artist:innen müssen keinen Vergleich scheuen. Die Woche geht zu Ende, der ICE ist bis auf den letzten Platz besetzt. Sei’s drum. Besser als auf der Autobahn. Viele Deutsche haben mittlerweile begriffen, dass wir unser Verhalten ändern müssen, um die CO2-Emissionen zu senken. Das ficht den Bundesautobahnminister Volker Wissing (FDP) nicht an; er schreibt stur seine Politik der Vergangenheit fort, wie die Rheinische Post konstatiert: “Deutschland hat auf dem Verkehrssektor komplett versagt. Als einziger Sektor hat er nicht nur sein gesetzliches Einsparziel verfehlt, sondern seine CO2-Emissionen im Vergleich zum Vorjahr sogar noch gesteigert – trotz Inflation und höherer Spritpreise. Verkehrsminister Wissing muss jetzt liefern. Mehr Schiene, weniger klimaschädliche Subventionen, Tempolimit und Verbrenner-Aus – der FDP-Minister wird diese Kröten schlucken müssen.” (16.03.23) Seine Ampel steht längst auf Rot!
Erk Walter
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