© Jörg Brüggemann
Kathrin Wehlisch als „K.“ nach Kafkas Prozess, Regie: Barrie Kosky, Musikalische Leitung: Adam Benzwi
Wenn es im Großen so klar und einfach wäre wie im Kleinen. Nach reiflicher Überlegung haben wir uns zum Einbau einer neuen Dusche entschlossen – und bezahlen natürlich auch die Rechnung. Anders der Bund. Er beklagt sich – in Person des Bundeskanzlers Merz – über den Zustand der deutschen Städte, bürdet den Kommunen aber immer neue Lasten auf, ohne die Finanzierung zu sichern. Die FAZ hat die Situation treffend beschrieben: „Die Lage der Kommunen ist vor allem durch Sozial- und Personalausgaben so aussichtslos geworden. An Gestaltung ist kaum noch zu denken. Defizite in den Städten und Gemeinden sind durch rapide steigende Kosten in der Sozialhilfe, in der Jugendhilfe und in der Eingliederungshilfe entstanden – jeweils durch Standards, die nicht von Kommunen, sondern von Bund und Ländern spendiert wurden, ohne auf die Kosten zu achten. Dass Oberbürgermeister der Landeshauptstädte sich zu Wort melden, ist kein Zufall. Die Länder machen mobil, um die Bundesregierung an den im Koalitionsvertrag verankerten Vorsatz ‚Wer bestellt, der bezahlt‘ zu erinnern, auch bekannt als Konnexitätsprinzip.” (30.10.25)
Die Lage scheint ausweglos, und solche Situationen haben Franz Kafka ganz besonders angezogen. Es wird berichtet, er habe Freunden aus seinem Roman “Der Prozess” vorgelesen und dabei so sehr gelacht, dass er kaum weiter machen konnte. Wahrscheinlich hätte er sich bei “K.” von Barrie Kosky, das derzeit mit großem Erfolg am Berliner Ensemble gespielt wird, köstlich amüsiert – Untertitel: “Ein talmudisches Tingeltangel rund um Kafkas Prozess. Nach Franz Kafka mit Musik von Bach über Schumann bis jiddischem Vaudeville”. Klingt nach viel von viel. Es gibt grandiose Szenen in “K.”, dann wieder verliert die Inszenierung an Dichte, weil Kosky in seine Revue zu viel hineinpacken will: den Roman, Kafkas Beziehung zu seiner großen Liebe Dora Diamant, eine Auseinandersetzung mit dem Judentum, die Folter- und Hinrichtungsmaschine Egge aus der Erzählung “In der Strafkolonie”, Zitate aus “Der Hungerkünstler”, jüdisches Vaudeville. Großartig Kathrin Wehlisch als K. und Constanze Becker gleich in mehreren Rollen, großartig Orchester und Bühnenbild. “Aus dem düsteren, beklemmenden Ton”, bilanziert die RBB-Kritikerin Barbara Behrendt, “den wir gern in Kafka hineinlesen, ist hier eine rasante, jiddische Revue im Stil der 1920er Jahre geworden.”
Die Übersicht über die Rezensionen zu “K” habe ich mir schnell von der KI zusammenstellen lassen, die ich zunehmend nutze. Obwohl mir bewusst ist, dass der Energieverbrauch gewaltig ist, dass die Tech-Giganten aus Amerika dafür Atomkraftwerke reaktivieren und neue bauen. “Der Stromverbrauch von Rechenzentren soll sich laut der Internationalen Energieagentur bis 2030 mehr als verdoppeln – vor allem durch KI-Anwendungen. Atomenergie gilt als CO₂-freie Grundlastquelle, die verlässlich und skalierbar ist. Google betont, dass die Reaktivierung notwendig sei, um die KI-Revolution verantwortungsbewusst zu unterstützen.” (KI-Recherche) Alles gut also? Alles kein Problem? Ein Leben ohne Widersprüche ist nicht möglich. Darüber sollte man sich zumindest im Klaren sein.
Erk Walter
Weitere Beiträge wahnundwerk.blog