Auf die Schlagworte Wolken und zweitürig kreierte die KI dieses Bild.
Was für eine Woche! Diesen Blog wollte ich auf dem Flug nach San Francisco online stellen, doch das WLAN funktionierte nicht. Die direkte Entfernung von Berlin beträgt etwa 8.800 km; der Flug mit Umstieg in Frankfurt wird 14,5 Stunden dauern. Erinnerungen an die letzte Reise nach Amerika 2018 schwirren mir durch den Kopf und der Song von Reinhard Mey aus dem Jahr 1974 “Über den Wolken / Muss die Freiheit wohl grenzenlos sein / Alle Ängste, alle Sorgen / Sagt man / Blieben darunter verborgen / Und dann / Würde was uns groß und wichtig erscheint / Plötzlich nichtig und klein.” Den Song habe ich mir gerade auf mein Handy geladen. Damals war Fliegen noch etwas Besonderes (“Der Duft der großen, weiten Welt: Peter Stuyvesant”), und vielleicht konnten wir damals noch alle Ängste und Sorgen vergessen. Heutzutage ist das Flugzeug ein Massentransportmittel und für viele Kinder alltäglicher als die Fahrt mit der Eisenbahn.
Der Flug nach San Francisco wird in diesem Jahr mein einziger bleiben und selbstverständlich werde ich die Klimawirkung von 5.900 kg CO₂ kompensieren; die Pro-Kopf-Jahresemission (in Äthiopien) beträgt 560 kg. Von Flygskam (Flugscham) ist derzeit keine Rede, viele fliegen munter durch die Welt, als gäbe es kein Morgen. Trotzdem freuen wir uns sehr auf diese Reise; ein widerspruchsfreies Leben ist eben nicht möglich. Das weiß Ulrich “Ulli” Blobel nur zu gut. Er rief zusammen mit Peter „Jimi“ Metag 1973 die legendäre jazzwerkstatt Peitz ins Leben, deren Bedeutung für die Jazz-Szene in der DDR man nicht hoch genug einschätzen kann. Dass sich ein solches Festival nicht ohne die Duldung der Stasi durchführen ließ, liegt auf der Hand; doch wird in der Akte des IM Thomas auch über Ausspähungen von Musikern berichtet (sehr lesenswert das „Die liebe der Stasi zum Jazz“ in der taz). Darüber hätten wir gerne in der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig mehr von Blobel erfahren, doch in dem Panel “Herkunft und Freiheit” wollte offensichtlich niemand den Störenfried geben.
Anlässlich der Übergabe des Archivs der jazzwerkstatt Peitz fand dort unter dem Titel “Störenfriede: Jazz, Protest + Revolution” eine Veranstaltung mit Konzerten & Diskussionen statt. Joe Sachse, der die Gitarre einsetzt wie kein zweiter, feiert seinen 75. Geburtstag, Conny Bauer, ein Aushängeschild des Free Jazz in der DDR, spielt ein Solo-Konzert auf der Bassposaune, und abends begeistern noch die Pianistin Myra Melford und die “Supergroup” (Jazzthetik) PUNKT.VRT.PLASTIK mit Kaja Draksler (p), Petter Eldh (b) und Christian Lillinger (dr). Das reizvolle Projekt “Allgäu meets India” schenken wir uns – ein langer & sehr anregender Tag in Leipzig geht zu Ende. Am nächsten Abend erleben die Grünen bei der Wahl in Brandenburg ihr blaues Wunder und sind im neuen Landtag in Potsdam nicht mehr dabei. Nach dem Rücktritt der Parteispitze taumeln die Grünen in einer Krise, deren Gewinner der amtierende Wirtschaftsminister sein könnte. Im Deutschlandfunk wurde gar schon über ein Bündnis Robert Habeck spekuliert.
Erk Walter
Weitere Beiträge wahnundwerk.blog