Foto: © Max Kruggel | www.maxkruggel.de
Er malt und surft: Der gebürtige Kasseler Philipp Siebert kam nach Stationen auf Sylt und einem dualen Maschinenbau-Studium wieder in seine alte Heimat und lebt und arbeitet seitdem im Kasseler Umland. Wir haben ihn zum Interview getroffen und mit ihm über seine Inspiration und seine bevorstehende Ausstellung im Studio Angersbach gesprochen – aber auch über das wichtige Thema Küstenschutz.
Erzählst du uns bitte, wie alles begann und du zur Malerei und Kunst gekommen bist?
Als Kind und Jugendlicher habe ich meine Schulblöcke regelmäßig mit Wellen und Windsurfen vollgemalt. Außerdem habe ich mit 14 angefangen, Grafittis zu zeichnen. Gesprayed habe ich jedoch nur in der Garage meiner Eltern. Ich habe mir immer gerne Kunst angeschaut und wusste auch, das ein großformatiges Bild einen entsprechenden Preis hat. Dies konnte ich mir 2011/12 noch nicht leisten, also kaufte ich mir kurzerhand eine Leinwand in 1,5 x 2 m und Farben. In größeren Abständen habe ich dann immer mal
wieder gemalt, bis ich Anfang 2021 eine Reihe Arbeiten fertig hatte und entschied, damit in die Öffentlichkeit zu gehen.
Und was hat das mit deiner Leidenschaft fürs Surfen zu tun?
Wir sind hier in Kassel nicht gerade gesegnet mit Wind, geschweige denn Wellen, um regelmäßig aufs Wasser zu kommen. Ich wollte mir damals keine Fotografie von mir beim Wellen-Abreiten oder Springen aufhängen, sondern etwas, was mich auf einer anderen Ebene berührt und mitnimmt. Mich zum Nachdenken anregt, vielleicht sogar eine kurze Zeit innehalten lässt und mir ein Lächeln auf die Lippen zaubert, wenn ich vom Wasser komme. So spielen Orte und Momente, die ich durch die Surferei erleben darf, eine zentrale Rolle in meinen Bildern und Farbwelten.
Von der Idee bis zum fertigen Bild: Wie entstehen deine Bilder?
Es sind eigentlich zwei Wege: Ein Bild im Kopf, wozu ich schematisch eine Farbwelt skizziere, oder genau anders herum, dass aus einer Skizze sich ein Bezug im Kopf generiert. Dabei mache ich Fotos von interessanten Farbkombinationen und Formen, die ich sehe – dies können durchaus auch irgendwelche Verpackungen im Supermarkt sein. Auf der Leinwand versuche ich im nächsten Schritt, die Skizzen umzusetzen. Im Prozess gibt es dann oft Stellen, die überarbeitet werden müssen, bis das Bild in meinen Augen die Balance aus Form und Farbe hat. Dies sage ich bewusst, denn jedes Auge sieht und empfindet anders! Nicht selten gibt es aber auch Situationen, in denen ich die Leinwand wieder weiße und von vorne beginne –mein persönlicher Rekord liegt da momentan bei 9 x. :)
Was steht hinter deiner Technik? Mit welchen Materialien arbeitest du?
Ich arbeite hauptsächlich mit Acrylfarben, da sie eine schnelle Trocknungszeit haben. Die benötige ich, weil ich teilweise Schicht für Schicht auftrage. Als Tuch verwende ich gerade hauptsächlich Rohleinen oder grundierte Baumwolle. Aktuell experimentiere ich mit Monofilm, das ist die Folie, aus der die Windsurfsegel hergestellt sind. Teilweise in Verbindung mit Neonröhren, um die Formensprache und Reflexionen der Folie nochmal zu intensivieren. Hier möchte ich in Zukunft mit weiteren Materialien, z. B. solchen, aus denen die Bretter gebaut sind, experimentieren und diese von ihrer eigentlichen Funktion lösen.
Das Thema Küstenschutz steht bei dir auch im Fokus: Wie engagierst du dich und warum ist dir das so wichtig?
Ich habe eine Triptychon zum Thema Küstenschutzbauten gemacht, um daran zu erinnern, wie nah Vergnügen und Umwelteinfluss sind. Bauten wie Molen, Buhnen oder Tetrapoden helfen, unsere Küsten beispielsweise vor dem Abtrag von Sand und Land zu schützen, gleichzeitig haben sie an einigen Orten die Eigenschaft, die Wellen zu schönen Linien zu ordnen. Dadurch werden die Wellen viel besser surfbar. Mit steigendem Meeresspiegel und stärker werdenden Unwettern rückt die Bedeutung immer mehr in den Fokus.Außerdem ist der Surf-/Windsurfsport alles andere als umweltfreundlich, denn ein Großteil der eingesetzten Materialien wird aus Öl hergestellt.
Hier gibt es aber erfreulicherweise seit einigen Jahren Entwicklungen, dass z. B. die Segel aus bis zu 75 % recyceltem Material hergestellt werden. Hinzu kommt, dass der Sport auch zu einem großen Teil im Auto oder Flugzeug stattfindet. Ich bin früher oft für einen Windsurftag nach Hanstholm in Norddänemark (800 km von Kassel) gefahren. Das ist einer der besten Windsurfspots in Europa. Im Alltag fängt das Umweltbewusstsein im ganz Kleinen an: z. B. beim Wocheneinkauf Gemüse- und Obstnetze verwenden statt Abgepacktes oder Tüten, hat den netten Nebeneffekt, dass man weniger zur gelben Tonne laufen muss.
Im August stellst du im Studio Angersbach in Kassel aus. Was erwartet deine Gäste?
Die Ausstellung habe ich „Perspektiven des Wassers“ genannt. Zu sehen wird ein Mix aus neuen ungezeigten und aktuellen Arbeiten sein. Die alle das Thema Wasser aus unterschiedlichen Blickrichtungen beleuchten. Wir starten Freitag, den 19.08 um 18.30 Uhr mit einer Vernissage. Samstag, den 20.08 öffnen wir um 13.00 Uhr die Ausstellung, ab 15.00 Uhr wird Zoka auflegen und wir öffnen die Bar. Sonntag wird die Ausstellung von 12.00-17.00Uhr geöffnet sein. Ich möchte nicht die typischen steifen Ausstellungen abhalten, sondern die Barriere reduzieren und ein tolles Wochenende mit den unterschiedlichsten Menschen haben.
Eine Zeitkapsel beamt dich in jede beliebige Zeitepoche. Für welche Epoche würdest du dich entscheiden?
Jede Epoche hat sehr interessante Errungenschaften und Wendepunkte mit sich gebracht. Ich finde es immer wieder beeindruckend, mit welchen rudimentären Mitteln die Menschheit sich weiter entwickelt hat. Viel interessanter als in der Vergangenheit zu schwelgen finde ich aber, 50 Jahre weiter in die Zukunft zu blicken, denn die Geschichte ist noch nicht geschrieben. Wir befinden uns gerade wieder an einem Wendepunkt. Mich beschäftigen viel mehr die Fragestellungen, wie die Gesellschaft sich entwickelt, welche Lösungen für unseren Energiehunger, für Mobilität, für die Umweltbelastung entwickelt werden. Um mal einige wenige Themen zu nennen.
Welchen Künstler aus der Gegenwart würdest du gern treffen? Ihr würdet zusammen ein Kunstwerk realisieren: Was wäre das Motiv?
Da hätte ich einige. Gerade habe ich Marton Nemes entdeckt, der unheimlich bunte Wandskulpturen (so nenne ich sie jetzt einfach mal) mit einem Mix aus unterschiedlichsten Materialen herstellt. Da ich im Herbst etwas mehr mit Materialien experimentieren möchte, die er augenscheinlich nicht verwendet, wäre das ein tolles Zusammenspiel. Es würde eine Wandskulptur entstehen, die dreidimensionaler ist, kein konkretes Motiv.
Was wird dein nächstes Projekt sein?
Ich möchte mir mal etwas Zeit nehmen, an neuen Dingen zu arbeiten, die eher in Richtung Wandskulpturen gehen. Dann wird es noch die eine oder andere Gruppenausstellung geben :)
Was bedeutet Glück für dich?
Glück ist für mich Zufriedenheit und Wohlbefinden. Um Glück zu erfahren, muss man wirken, denn Glück stellt sich nicht von alleine ein.
Wir bedanken uns ganz herzlich für deine Zeit und sehen uns dann im August zur Ausstellungseröffnung im Studio Angersbach.