© Stadtmuseum Kassel | Fotograf: Daniel Rothen
Seit fast 20 Jahren leitet Prof. Dr. Kai Füldner das Naturkundemuseum Kassel – im Jahr 2015 kam die Leitung des Stadtmuseums hinzu. Er studierte Forstwissenschaften in Göttingen, wo er anschließend auch promovierte. Eine Habilitation in Ökologie folgte schließlich an der Universität in Kassel – er hat einen Lehrauftrag an der Uni Kassel im Fach Biologie. Seine Doppelfunktion als Leiter der Städtischen Museen ist herausfordernd, aber er meistert sie mit Bravour. Wir haben ihn zum Interview eingeladen, um mit ihm über Ausstellungsprozesse, die heutigen Anforderungen an die digitalen Angebote der Museen und die kreative Freiheit seiner Arbeit zu sprechen.
Beginnen wir mit einem kurzen Fazit zur diesjährigen Museumsnacht.
Wieder einmal eine gute Sache – durchaus fordernd für alle, die das vorbereiten und dann durchführen – aber auch mit der Freude zu sehen, dass es beim Publikum einfach gut ankommt.
Seit der Museumsnacht können Besucher*innen die Dauerausstellung im Naturkundemuseum in 29 Sprachen erkunden. Eine Stärkung der kulturellen Teilhabe?
Moderne Technik und die heutigen Übersetzungs-Tools machen's möglich. Das Naturkundemuseum ist aber von jeher für alle Generationen, aber auch alle Kulturkreise der barrierefreie Einstieg in die Kulturszenerie. Der neue Guide ist entsprechend ein weiterer Schritt in diese Richtung.
Wenn Sie an Ihre Anfänge zurückdenken: Was würden Sie heute anders machen?
Vermutlich nicht viel anders – vieles hat sich in der Zeit entwickelt, wir haben natürlich Erfahrungen gesammelt und bauen darauf auf. Die beiden Museumsteams wissen, was sie tun, und arbeiten harmonisch. Eigentlich ein guter Prozess. Eventuell muss ich mal ein bisschen „lauter trommeln“. Wir erstellen mit sehr wenigen Mitteln aufwendige, wirklich sehenswerte Ergebnisse. Dabei sind wir weit vom Mittelbedarf anderer gleichwertiger Häuser entfernt, denen sich oft ganz andere finanzielle Möglichkeiten bieten. Nun stehen aber dringliche Investitionen in die Gebäudesubstanz des Ottoneums an. Auch das Foyer müsste ENDLICH publikumsverträglich umgebaut werden.
© Kassel Marketing GmbH
Das Naturkundenmuseum im Ottoneum ist eines der beliebtesten Ausflugsziele der Region und bietet den Besucher*innen eine Zeitreise zu ehemaligen Wüsten, Meeresgründen und Eiszeitsteppen mit ihren Sauriern, Haien und Mammuts. Mitmachstationen, Sonderausstellungen und ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm machen das Museum zu einem echten Erlebnisort.
Sie und Ihr Team begeistern – nicht nur das Kasseler Publikum – mit aufwendigen Sonderausstellungen in beiden Museen: zuletzt mit ‚Im Fokus. Die 50er Jahre in Fotografien‘ und ‚Wald‘. Wie entstehen die Themen dieser Ausstellungen?
Die Themen sind mit ganz wenigen Ausnahmen unsere eigenen „Babys“; wir sind auch weitgehend frei, was wir wann und wie zeigen. Das Stadtmuseum ist ab und zu an geschichtliche Marker gebunden (z. B. „1918“ oder „80 Jahre Bombardierung Kassels“), das Naturkundemuseum greift aktuelle Themen („Ausgesummt“ oder eben zuletzt der „Wald“) genauso auf wie große naturkundliche Querschnittsthemen. Unsere große Stärke ist: Wir planen alle Ausstellungen selbst, überlegen, woher wir passende Objekte bekommen, gegebenenfalls anfertigen lassen, und wie die Choreografie dazu aussieht. Grafik, Technik und Ausstellungumsetzung liegen alle in unserer Hand. Dabei schauen wir immer auch, ob wir mit Akteuren aus der Stadt und Region zusammenarbeiten können, wie zuletzt beispielsweise mit dem Stadtarchiv für die Ausstellung „Im Fokus“. Das Naturkundemuseum hat zudem schon mehrere große Ausstellungen „wanderbar“ entwickelt (zuletzt die „Elefanten“), die dann in anderen Städten gezeigt werden. Das ist überhaupt nicht selbstverständlich: Die meisten Museen kaufen sich fremde Ausstellungen ein.
In beiden Häusern werden die digitalen Angebote kontinuierlich weiterentwickelt. An welchen Formaten arbeiten Sie und Ihr Team gerade?
Wir sind natürlich in den digitalen Medien präsent und haben das in den letzten Jahren deutlich ausgebaut. Dennoch sehen wir das Museum selbst IMMER als den Ort des Geschehens, den man besuchen sollte. Alle digitalen Auftritte oder auch Anwendungen innerhalb der Ausstellung haben immer ein Ziel: das Erleben der authentischen Situation vor Ort zu erweitern.
© Stadt Kassel | Naturkundemuseum
Die digitalen Angebote beider Häuser werden kontinuierlich weiterentwickelt und laden in die virtuellen Welten der Häuser ein.
Sowohl das Naturkundemuseum als auch das Stadtmuseum haben einen Förderverein. Warum ist das so wichtig?
Fördervereine bringen Menschen dem Museum auf unterschiedlichste Weise näher. Manche wollen nur ihre Unterstützung kundtun und profitieren vom freien Eintritt in die Häuser. Viele engagieren sich ehrenamtlich und erhalten so Einblicke in die Museumsarbeit oder unterstützen diese. Nicht zuletzt waren gerade bei der Museumsnacht viele helfende Hände aus den Vereinen tätig, ohne die z. B. die Stände und Catering-Stationen nicht denkbar gewesen wären.
Im Jahr 2029 wird das Stadtmuseum sein 50-jähriges Bestehen feiern. Sind Sie schon mit der Planung beschäftigt?
Das Jubiläum ist uns bewusst – aber wir haben immer einen Vorlauf von 2-3 Jahren in unserer Planung – da bleibt noch ein bisschen Luft, bevor wir uns konkret damit befassen.
© Stadtmuseum | Fotograf Nicolas Wefers
Entdeckt die Geschichte Kassels: Das Stadtmuseum sammelt, bewahrt und zeigt in seinen Ausstellungen Objekte zu verschiedenen Themen der Kasseler Stadtgeschichte. Das Haus ist für alle Menschen ein Ort des Entdeckens, des Lernens und des Austauschs.
Eine Zeitkapsel beamt Sie in jede beliebige Zeitepoche. Für welche Epoche würden Sie sich entscheiden?
In erdgeschichtlicher Dimension: in die mittlere Kreidezeit vor 95 Millionen Jahren nach Südamerika. Da gab es die größten Dinosaurierarten – das würde ich gerne mal live sehen.
In menschengeschichtlicher Dimension: zum Bau der Cheops-Pyramide nach Ägypten vor ca. 4600 Jahren – ich würde mir gerne ansehen, wie die das TATSÄCHLICH geschafft haben …
Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit am besten?
Kreative Freiheit, verbunden durchaus mit der wissenschaftlichen Arbeit im Hintergrund, damit wir in beiden Häusern ein möglichst großes Publikum erreichen. Ein nachhaltiges Kulturbewusstsein zu bewahren, das ist eine generationenübergreifende Aufgabe, damit die Wichtigkeit, museale Objekte aufzubewahren und auszustellen, gesehen und weitergegeben wird. Wenn man dann sieht, dass wir mit unseren Möglichkeiten genau dazu auch einen Beitrag leisten – das ist schon befriedigend.
Was bedeutet Glück für Sie?
Da habe ich wie jeder Mensch sehr persönliche Vorstellungen und behalte die dann auch mal für mich.
Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Zeit, freuen uns auf die neuen Sonderausstellungen und hören uns ganz sicher zu Ihrem 20-jährigen Jubiläum wieder.
›› www.stadtmuseumkassel.de | www.naturkundemuseum-kassel.de