© Marco Borggreve
Die Kasseler Musiktage 2024 laden das Publikum ein, Fragen zu stellen, an die Musik, an Künstler*innen, an sich selbst. Der Trompeter Simon Höfele und die Perkussionistin Vanessa Porter zeigen ihre musikalische Vielfalt in mehreren Konzerten. „Wer nicht fragt, bleibt dumm!“, stellt die Sesamstraße seit Jahrzehnten fest. Fragen beflügeln, Fragen verführen, Fragen überraschen, Fragen verändern. In diesem Jahr machen die Kasseler Musiktage das Fragen selbst zu der Frage, die seit 2016 das Festival jeweils als Motto begleitet. Welche Musik begleitet Zugvögel auf ihrer langen Reise und was hat diese Reise mit uns zu tun? Wie wirken Franz Kafkas Worte 100 Jahre nach seinem Tod auf uns? Hören wir Musik anders, wenn darin eine geheime Liebesbotschaft vermutet wird? Und wie unterschiedlich hören wir den Klang einer Trompete, wenn er gemeinsam mit einem Orchester, einer Schlagzeugerin oder einem Klangkünstler ertönt? Wo Menschen zusammenkommen, um zu musizieren und Musik zu erleben, entstehen kleine und große, einfache und komplexe Fragen. Vom 24. Oktober bis 03. November laden zehn Veranstaltungen in der Kasseler Martinskirche, der UK14, im Hallenbad Ost und im Staatstheater Kassel ein, diesen Fragen auf die Spur zu gehen. Wir haben uns ein paar Highlights herausgefischt ...
© Dirk Opitz
Mit einem überwältigenden Klangrausch eröffnet das Staatsorchester Kassel unter der Leitung von Chefdirigent Francesco Angelico das Festival. In der berühmtesten Symbiose von Orgel und Orchester, der einzigartigen Orgelsymphonie von Camille Saint-Saëns, verschmelzen symphonische Klangfarben mit den Klängen der mittlerweile weltberühmten Orgel in der Martinskirche. Erneut ist die Organistin Ines Schüttengruber zu hören, die 2021 mit Francis Poulencs Orgelkonzert in Kassel begeisterte und vergangenes Frühjahr mit den Wiener Philharmonikern u. a. in der New Yorker Carnegie Hall musizierte. Eingeleitet wird das Konzert mit Wolfgang Amadeus Mozarts bewegender Maurerischer Trauermusik und Ferruccio Busonis Berceuse élégiaque in tröstenden und farbenreich instrumentierten Klängen. Drei Tage später findet in der Martinskirche auch der Festgottesdienst statt, in dem Pfarrer Dr. Willi Temme und Kirchenmusikdirektor Eckhard Manz Fragen aufwerfen.
© Oliver Look
Wie leise vermeintlich laute Instrumente klingen können, hinterfragen der Trompeter Simon Höfele und die Perkussionistin Vanessa Porter in einem abwechslungsreichen Programm, das sie eigens für die Kasseler Musiktage entwickeln. Beide Künstler*innen, die in den vergangenen Jahren als „Rising Stars“ der European Concert Hall Organisation u. a. in der Elbphilharmonie aufgetreten sind, kann man gleich mehrmals im diesjährigen Festival erleben. Im Hallenbad Ost sind vor allem zeitgenössische Werke zu hören, die das Publikum ermuntern, zusätzlich zum erwarteten Klangfeuerwerk auch genau zu lauschen. Neben Werken des 1974 verstorbenen André Jolivets erklingen u. a. Auftragswerke des Tschechen Miroslav Srnka und des griechisch-französischen Komponisten Georges Aperghis, die den Musiker*innen sogar auf den Leib geschrieben wurden. Ebenfalls im Hallenbad Ost präsentiert Simon Höfele später zusammen mit dem Pianisten und Elektronik-Künstler Kaan Bulak einen Querschnitt ihres gemeinsamen Albums No Clouds in Haraz. Mit betörenden Klängen, in denen die beiden Instrumente mit elektronischen Sounds und Einflüssen aus dem Nahen Osten verschmelzen, bringen sie das Publikum zum Schweben.
© Quiet City Films | Paul Holdsworth
Zum zweiten Mal nach der begeistert aufgenommenen Vorstellung von Beating Hearts im vergangenen Jahr entwickeln die Kasseler Musiktage ein gemeinsames Projekt mit dem Studio Lev Kassel. Unter der Leitung von Krystian Köhn setzt sich der Studio Lev Cho:r in diesem Jahr in der UK14 in Kunst Stoff Musik mit dem Werk Caspar David Friedrichs auseinander, dessen Bilder 250 Jahre nach seiner Geburt zum Ausgangspunkt für einen musikalischen Abend werden. Nicht nur Friedrichs Kunst, sondern auch das Material Kunststoff und seine gesellschaftspolitischen Dimensionen werden mit schwebenden und schwingenden Klängen von Komponist*innen besonders aus dem anglo-amerikanischen Raum thematisiert. Begleitet werden die Sänger*innen von der Perkussionistin Vanessa Porter, die schon mehrere Wochen vorher mit den Mitwirkenden in einen inspirierenden Austausch geht.
Im Abschlusskonzert des Festivals im Schauspielhaus erklingt noch einmal Mozart. Dessen Adagio und Fuge für Streichorchester leitet das Konzert ein, in dem ein weiterer Klassiker im Mittelpunkt steht. Das virtuose Trompetenkonzert von Johann Nepomuk Hummel ist eines der herausragenden Werke für Trompete und Orchester, womit einer der bedeutendsten Interpreten unserer Zeit, Simon Höfele, seine Residenz bei den Kasseler Musiktagen krönt. Gemeinsam mit dem Kammerorchester Louis Spohr, das beim Festival zuletzt 2016 zu erleben war, zeigt er seine stilistische Vielfalt auch in den Night Prayers des Georgiers Giya Kancheli. Außerdem erklingt das Konzert für Streichorchester aus der Feder von Grażyna Bacewicz, einer bedeutenden Vertreterin der polnischen Moderne.