
© Johannes Schembs
Seine letzte Saison als Intendant der Bad Hersfelder Festspiele eröffnet Joern Hinkel mit einer neuen Fassung von Shakespeares „Sommernachtstraum“ mit dem Titel „Sommernachtsträume“. Und er konnte Erol Sander für eine ganze besondere Rolle gewinnen. Seit 2018 hat Joern Hinkel die Intendanz inne und er hat im letzten Jahr entschieden, die Festspiele zu verlassen. Wir haben ihn zum Interview eingeladen, um mit ihm über seine Inszenierungen, die Highlights der Spielzeit 2025 und natürlich Erol Sander zu sprechen.
Sieben erfolgreiche Jahre als Intendant der Bad Hersfelder Festspiele: Mit welcher Erwartung starten Sie in Ihre letzte Spielzeit?
In der Stiftsruine Theater machen zu dürfen ist immer eine große Herausforderung und ein großes Glück. Für mich beherbergt Bad Hersfeld eine der schönsten Bühnen der Welt. Ein unvergleichlicher, magischer Ort! Ich freue mich vor allem auf die Arbeit mit einem traumhaften Ensemble, einem wundervollen Team und auf die Aufführungen vor einem neugierigen, begeisterungsfähigen Publikum. Das alles an diesem Platz zum letzten Mal zu erleben ist ein seltsames Gefühl. Natürlich bin ich auch ein bisschen traurig! Aber Theater bedeutet immer Veränderung und Abwechslung tut der Kunst gut. Alle paar Jahre braucht’s eine Erfrischung und auf die freue ich mich.
Sie inszenieren zur Eröffnung der Bad Hersfelder Festspiele „Sommernachtsträume“ nach Shakespeare in einer eigenen Fassung. Was erwartet Ihre Zuschauer?
Es ist nach wie vor eines der lustigsten und gleichzeitig poetischsten Stücke, das ich kenne. Ich möchte vor allem, dass das Publikum in diesen finsteren Zeiten etwas zum Lachen und zum Träumen bekommt. Schon seit vielen Jahren hatte ich den Traum, dieses vollkommen verrückte Stück noch ein bisschen verrückter zu machen: In unserem nächtlichen Wald verirren sich noch andere Liebespaare aus Shakespeares Feder. Wir begegnen Romeo und Julia, Benedikt und Beatrice, Viola und Malvolio. Am meisten freue ich mich darüber, dass zum ersten Mal in Bad Hersfeld das große Orchester nicht nur beim Musical, sondern auch beim Schauspiel mitspielen wird.
Worauf freuen Sie sich am meisten in der Zusammenarbeit mit Erol Sander?
Erol Sander spielt eine urkomische Rolle. Obwohl er über einen wundervollen Humor verfügt, habe ich ihn bisher eher in ernsten Stücken gesehen und bin gespannt, wie er den Benedikt auf die Bühne bringt. Er hat eine verrückte Fantasie, der er in den „Sommernachtsträumen“ freien Lauf lassen kann.

© Bad Hersfelder Festspiele | Steffen Sennewald
Welche weiteren Highlights erwarten uns noch?
Gil Mehmert inszeniert Schillers „Räuber“ in Verbindung mit den Songs der „Toten Hosen“. So etwas hat es bisher noch nicht gegeben! Ich selbst bin wahnsinnig gespannt darauf. „Ronja Räubertochter“, Astrid Lindgrens Romeo-und-Julia-Variante mit gutem Ausgang, ist eines meiner Lieblingsbücher und erzählt davon, dass Versöhnung auch im schlimmsten Krieg möglich ist. „Wie im Himmel“ und „A Chorus Line“ waren in der vergangenen Spielzeit so mitreißend, dass es viele Menschen gibt, die die beiden Stücke noch einmal erleben wollen. Außerdem zwei sensationelle komische Juwelen des Theaters im Schloss Eichhof, „Kunst“ und „Der Gott des Gemetzels“, inszeniert von zwei meiner Lieblingsregisseuren. Ich werde vermutlich jeden Tag des Sommers selbst ins Theater gehen! Was will man mehr?
Nach der Premiere der europäischen Erstaufführung von „Der Club der toten Dichter“ im Jahr 2021 war auch Oscar-Preisträger Tom Schulman zur dritten Wiederaufnahme zu Gast. Was war das für ein Gefühl?
Tom Schulman hat sogar den Spaß mitgemacht, in der Eröffnungs-Szene einen Lehrer zu spielen. Im Anschluss saßen er und seine Gattin neben mir im Zuschauerraum. Ich hatte zittrige Hände, mein Herz klopfte wie wild. Aber ich spürte schon nach den ersten Szenen, dass sie die Inszenierung mochten, und ich wurde allmählich entspannter. Toms Frau meinte sogar, manches habe ihr besser gefallen als im Film. Ich kann gar nicht sagen, wie glücklich ich war: Er hatte mir immerhin seine Geschichte anvertraut, ohne vorher etwas von mir gesehen zu haben.
Was war Ihre wichtigste Inszenierung?
Die nächste Inszenierung ist immer die wichtigste. Ihr gehört meine ganze Energie und Aufmerksamkeit. Ich bin stolz, dass ich mich in Bad Hersfeld mit so unterschiedlichen Werken der Literatur beschäftigen durfte, mit Otfried Preußlers „Krabat“, dem „Prozess“ von Franz Kafka, „Notre Dame“ von Victor Hugo. Auch meine Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, mit den „Sommernachtsträumern“ lag mir besonders am Herzen, beispielsweise in „Der Herr der Fliegen“, „Die Welle“ oder „Der Streit“ von Marivaux.

© Bad Hersfelder Festspiele | Steffen Sennewald
Tom Schulman mit Francis Fulton-Smith, Joern Hinkel und dem Ensemble: Der amerikanische Drehbuchautor und Oscar-Preisträger Tom Schulman kam 2023 zur Aufführung der Bühnenfassung seines Filmes und Welterfolges „Der Club der toten Dichter“ nach Bad Hersfeld. Der Film wurde 1990 für mehrere Oscars nominiert, Tom Schulman gewann für das beste Originaldrehbuch die begehrte Goldstatue.
Am 18. August endet die Spielzeit 2025. Was werden Sie dann als erstes tun?
Ausschlafen.
Eine Zeitkapsel beamt Sie in jede beliebige Zeitepoche der Vergangenheit. Welcher Inszenierung hätten Sie gern beigewohnt?
Ich würde aus einer solchen Kapsel am liebsten gar nicht mehr aussteigen! Ich würde die erste Aufführung der „Orestie“ bei den Dionysien in Athen besuchen, unbedingt die Uraufführung von Beethovens „Fidelio“, ach ja: die Premiere von Schillers „Räubern“, bei der es zu tumultartigen Zuständen kam und mehrere Personen in Ohnmacht fielen. Und was würde ich darum geben, einmal das Genie William Shakespeare in „Hamlet“ selbst auf der Bühne des Globe Theatres zu erleben!
Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit am besten?
Zu spüren, dass das Theaterstück, das Kind, das man mit der Unterstützung vieler Geburtshelfer zur Welt gebracht hat, allmählich allein laufen lernt, dass der Funke zwischen den Menschen auf und hinter der Bühne und im Zuschauerraum überspringt, dass Menschen gemeinsam weinen und lachen, für ein paar Augenblicke alles um sich herum vergessen und ganz und gar in eine andere Welt eintauchen.
Was bedeutet Glück für Sie?
Musik. – Musik ist für mich Glück. Und: lieben zu dürfen und geliebt zu werden.
Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Zeit, wünschen Ihnen eine fulminante letzte Spielzeit und freuen uns auf ein Wiedersehen bei der Eröffnungspremiere zu „Sommernachtsträume“.