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Teslihan Ayalp
Teslihan Ayalp arbeitet seit 2015 in unterschiedlichen Bereichen der Stadtverwaltung: Nach Stationen in der Jugendhilfe im Strafverfahren und der Kinder‐ und Jugendförderung wechselte Ayalp in das „Zukunftsbüro“ der Stadt Kassel. Hier verantwortete sie unter anderem die Themen „Interkulturelle Öffnung der Stadtverwaltung“ und „Stärkung von Migrantenselbstorganisationen“. Danach war die 42-Jährige als Koordinatorin des durch das hessische Ministerium für Soziales und Integration geförderte WIR‐Programm im Amt für Schule und Bildung tätig. Seit 2022 ist Teslihan Ayalp Integrationsbeauftragte der Stadt Kassel und Leiterin des WIR‐Vielfaltszentrums. Und seit dem Sommer dieses Jahres ist sie die neue Leiterin der Stabsstelle Amt für Chancengleichheit.
Wir haben Teslihan Ayalp zum Interview eingeladen, um mit ihr über die Aspekte der Chancengleichheit, die interkulturelle Öffnung der Verwaltung und ihre tägliche Arbeit zu sprechen.
Das Amt für Chancengleichheit vereint die Arbeit der Frauenbeauftragten, der Integrationsbeauftragten und des Antidiskriminierungsbeauftragten. Warum ist es notwendig, so vernetzt zu arbeiten?
Die Vernetzung der Arbeit ist von entscheidender Bedeutung, um eine umfassende und effektive Gleichstellungspolitik zu fördern. In unserer vielfältigen Gesellschaft sind die Herausforderungen, mit denen Menschen konfrontiert werden, oft miteinander verwoben. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Herkunft oder anderer Merkmale überschneidet sich häufig und erfordert daher einen ganzheitlichen Ansatz.
Durch die enge Zusammenarbeit dieser verschiedenen Beauftragten können Synergien genutzt werden, um gezielte Maßnahmen zu entwickeln, die auf die spezifischen Bedürfnisse unterschiedlicher Gruppen eingehen. Dies fördert nicht nur ein besseres Verständnis der jeweiligen Problematiken, sondern ermöglicht auch die Entwicklung von Lösungen, die alle Aspekte der Chancengleichheit berücksichtigen. Darüber hinaus stärkt die Vernetzung die Sichtbarkeit und das Bewusstsein für die Themen, die alle Menschen betreffen.
Die interkulturelle Öffnung der Verwaltung ist eines Ihrer großen Themen der letzten zwei Jahre – wie blicken Sie darauf zurück?
Das ist und war es auf jeden Fall, denn die interkulturelle Öffnung trägt dazu bei, Vorurteile abzubauen und den sozialen Zusammenhalt zu fördern. Durch diesen Ansatz wird das Verständnis untereinander gefördert. Insgesamt ist die interkulturelle Öffnung der Verwaltung in Kassel also einer der wichtigen Schritte, um eine inklusive und gerechte Gesellschaft zu schaffen, in der sich alle Menschen willkommen und gehört fühlen.
Als Stabsstelle und als Verwaltung ist es für uns wichtig, für alle Menschen in Kassel da zu sein. Wichtig ist zudem, dass wir diesen Transformationsprozess zahlen- und faktenbasiert angehen und dabei versuchen, möglichst alle Mitarbeitenden zu beteiligen. Deshalb haben wir gemeinsam mit der kommunalen Statistikstelle eine umfassende Umfrage initiiert, an der alle Ämter beteiligt sind. Hierbei erheben wir zum einen, wie viele Mitarbeitende mit Migrationsgeschichte in unserer Verwaltung arbeiten, und zum anderen, wie die Mitarbeitenden die interkulturelle Öffnung und das Arbeitsklima wahrnehmen.
Wenn wir uns vor Augen führen, dass 43 Prozent der in Kassel lebenden Menschen eine Migrationsgeschichte haben und die Verwaltung die Vielfalt der Bevölkerung widerspiegeln und die unterschiedlichen kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Hintergründe berücksichtigen soll, können Dienstleistungen besser auf die Bedürfnisse aller Menschen zugeschnitten werden. Wenn ich als Bürgerin oder Bürger mit Migrationsgeschichte Kontakt mit der Stadtverwaltung habe – am Schreibtisch, auf der Straße in Uniform, bei der Betreuung und Beratung meiner Familie –, kann ich mich eher mit diesen Angelegenheiten identifizieren, wenn ich dort auch auf Menschen treffe, die so aussehen wie ich selbst. Dadurch kann die Akzeptanz und das Vertrauen in die Verwaltung gestärkt werden.
Ab Januar werden Sie sich vornehmlich auf die Rolle als Leiterin für die Stabsstelle Amt für Chancengleichheit konzentrieren – Ihre Arbeit als Integrationsbeauftragte führt eine andere Person fort. Warum ist diese Fokussierung wichtig?
Als Team sind wir in den vergangenen Jahren gewachsen, sodass es wichtig ist, eine Leitung zu haben, die die unterschiedlichen Aktivitäten koordiniert und den Gesamtüberblick zusammenhält.
Meine Nachfolgerin als Integrationsbeauftragte wird Alena Schütz und sie übernimmt meine bisherigen Aufgaben, was allein durch die zeitlichen Ressourcen notwendig ist. Sie hat dafür meine volle Unterstützung. Es ist schon ein breites Netzwerk da, auf das sie ihre Arbeit aufbauen kann, und ich freue mich darauf, sie in das Tätigkeitsund Netzwerkfeld einführen zu können. Insgesamt bin ich auch in meiner neuen Position gerne die Netzwerkerin für unsere Themen und für mein Team. Somit haben wir die Möglichkeit, unsere Themen, die Querschnittsthemen sind, nachhaltig in der Stadtgesellschaft und in der Verwaltung zu verankern.
Das Projekt „Kassel steht zusammen: Wächterdienst – Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde“ wurde im November mit dem Hessischen Integrationspreis ausgezeichnet. Ein starkes Zeichen in diesen schwierigen Zeiten?
Ein klares JA. Diese Initiative zeigt auch, wie stark das zivilgesellschaftliche Engagement in Kassel und über Kassels Grenzen hinaus gelebt wird. Bei jedem Wetter, jeden Freitagabend stehen die Menschen vor der Synagoge. Das ist einerseits großartig und andererseits beschämend für unser Land, dass es nötig ist.
Durch eigene Veranstaltungsreihen wie die jährliche Interkulturelle Woche werden migrationsspezifische Impulse gesetzt. Ein Herzensprojekt?
Es ist ein Herzensprojekt. Räume zu schaffen, in denen Menschen zusammenkommen, die sich sonst nicht begegnen würden, trägt viel zur Verständigung bei. Die Interkulturelle Woche wird bundesweit seit 1975 gefeiert. Es fing damals als „Tag des ausländischen Mitbürgers“ an, alleine die Änderung in der Namensgebung zeigt, wie wir uns als Gesellschaft weiterentwickelt haben.
Auch die Würdigung der sogenannten „Gastarbeiter“ der ersten Generation war ein solches Herzensprojekt für die Stadt, da sie mit ihrem unermüdlichen Einsatz sowie ihrer Hingabe maßgeblich zum Wohlstand und zur Vielfalt unserer Stadt beigetragen haben. Die Veranstaltung hat die Stadt Kassel Anfang März im Bürgersaal durchgeführt. Der Saal war voll und wir haben sehr bewegende Momente erlebt. Es war eine schöne und wichtige Veranstaltung.
Wie dürfen wir uns einen alltäglichen Arbeitstag vorstellen?
Als Stabsstelle Amt für Chancengleichheit bekommen wir täglich aus der Stadtgesellschaft und auch von Kolleginnen und Kollegen aus der Verwaltung Anfragen. Dabei geht es inhaltlich um Anliegen einzelner Menschen – beispielsweise in Bezug auf Behördengänge –, aber auch um Fördermittelberatung für migrantische Vereine oder den Prozess der interkulturellen Öffnung, den wir verwaltungsintern koordinieren. Diese Anliegen werden von den jeweils zuständigen Mitarbeitenden bearbeitet.
Ich habe das Große und Ganze im Blick, werde dazu genommen, wenn sich beispielsweise bestimmte Anliegen oder Beschwerden häufen. Dann geht es darum, gemeinsam eine gute Lösung für alle Beteiligten zu finden. Ich bin für das Team da, berate, verweise auf Netzwerkpartner, bin viel im Austausch mit Kooperationspartnern und Vereinen.
Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit am besten?
Mir gefällt die Netzwerkarbeit sehr und jeden Tag den Versuch zu wagen, die Strukturen für alle zu verbessern.
Was bedeutet Glück für Sie?
Es regnen keine Bomben hier und wir leben in einer freien Demokratie.
Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Zeit, freuen uns auf viele weitere Begegnungen mit Ihnen und auf die nächste Interkulturelle Woche.