
Ein Mann ist tot, und niemand weiß, was geschah. Sandra (Sandra Hüller), die Frau des Opfers, ist hauptverdächtig. Hat sie ihn aus dem Fenster oder vom Balkon geschubst? Weiß Daniel (Milo Machado-Graner), der sehbehinderte Sohn der jungen Familie, mehr als es den Anschein hat? Mord, Unfall, Suizid. Alles wird in Betracht gezogen, minutiös im Gerichtssaal seziert. Was nicht nur Sandra, sondern auch den kleinen Daniel zunehmend an den Rand der Belastung bringt. Rückblenden in die Szenen einer maroden Ehe bringen einiges an Aufklärung und dennoch verbirgt Justine Triets in diesem Jahr mit der Goldenen Palme in Cannes prämiertes Drama bis zum Schluss, was Samuels (Swann Arlaud) Leben aus den Angeln und zum Ende brachte. Für Sandra Hüller ist „Anatomie eines Falls“ ebenso eine schauspielerische Tour de Force wie für den Jungstar Milo Machado-Graner, der große Emotionen und Geheimnisse ins Spiel bringt. Die eigentliche Belohnung des Films ist nicht die scheinbar simple Auflösung des Falls, dem man dezent ein Cliffhanger-Finale untersagt, sondern das Reifen der Beziehung zwischen Sandra und ihrem Sohn. Es sind Mutter und Kind, die sich in dem überlangen Gerichtsthriller näher kommen, als es jemals vorher geschehen ist, als für die beiden die Welt noch in Ordnung war.
Start: 02.11. (152 Minuten) Frankreich 2023, mit Sandra Hüller, Swann Arlaud, Milo Machado-Graner, Antoine Reinartz, Samuel Theis, Jehnny Beth
Redaktion: Uwe Bettenbühl