
© Mario Zgoll
Maren Matthes ist die dienstälteste Festivalintendantin in Deutschland. Vor 26 Jahren hat sie die Leitung des Kultursommers Nordhessen übernommen, für den sie schon davor gearbeitet hat. Der Kultursommer Nordhessen beginnt in wenigen Tagen. Wir haben sie zum Interview eingeladen, um mit ihr über die Auftaktveranstaltung, die Herausforderungen des Festivals und die Auswahl der Künstler zusprechen.
Genüsslich, musikalisch und voller Überraschungen geht es zu, wenn der Kultursommer Nordhessen am Pfingstsonntag in seine diesjährige Saison mit dem traditionellen Eröffnungsfest „Aufgespielt!“ startet. Was erwartet Ihre Gäste?
Ein großes buntes Fest mit Akrobatik, Musik, Magie und Theater vor einer der bezauberndsten Rokoko-Kulisse Deutschlands: Schloss Wilhelmsthal. „Aufgespielt“, unser traditionelles Eröffnungsfest, ist ein Tag zum Flanieren und zum Staunen. Der Picknickkorb darf mitgebracht werden, aber auch für Unvorbereitete ist gastronomisch gesorgt.
Bis zum großen Orchesterfinale am 12. und 13. August in Kassel mit dem Bundesjugendorchester und dem Nationaal Jeugdorkest der Niederlande folgen 91 Veranstaltungen in 34 Städten und Gemeinden der GrimmHeimat NordHessen auf 59 kleinen und großen Bühnen. Wann beginnen Sie und Ihr Team mit den Vorbereitungen?
Was die Saison 2026 angeht, sind wir für viele Produktionen bereits in der Vertragsvorbereitung und mit Orchestern sprechen wir sogar bereits über 2027. Das allerletzte Konzert kann aber auch mal ganz kurz vor Drucklegung des Programmhefts dazukommen. Im Allgemeinen schauen wir das ganze Jahr nach Veranstaltungen für die kommenden beiden Saisons.
Der Kultursommer Nordhessen findet an zahlreichen Veranstaltungsorten im ländlichen Raum statt. Eine Herausforderung?
Ein große Herausforderung! Meines Wissens gibt es kein Festival in Deutschland, das so viele verschiedene Spielorte hat wie der Kultursommer Nordhessen. Von der Wurstekammer bis zur Klosterkirche, von der Waldlichtung bis zum mittelalterlichen Marktplatz war eigentlich schon alles dabei. Für jeden Spielort gibt es eigene Anforderungen: An der lichten Höhe eines Eingangs kann der Transport des Flügels scheitern, in Fritzlar will der Soundcheck vor dem Dom mit den Gottesdienstzeiten koordiniert werden, damit man sich akustisch nicht ins Gehege kommt, die im März besichtigte Waldlichtung ist im Juli komplett zugewachsen, die Zufahrtsstraße für die Bühne ist wegen Bauarbeiten gesperrt, der Künstler ist statt in Borken/Hessen in Borken/Westfalen eingetroffen ... Sehr gute Organisation und Logistik sind Voraussetzung für alle Veranstaltungen.
Ohne Sponsoren und Kooperationen vor Ort wäre der Kultursommer Nordhessen nicht realisierbar. Was schätzen Ihre Sponsoren und Netzwerkpartner an Ihrem Format?
Eine Stärke des Kultursommers Nordhessen ist sicher die Kultur vor der Haustür. Wir spielen von Lippoldsberg bis Bad Hersfeld und von Battenberg bis Herleshausen. Irgendwo in Nordhessen findet man uns im Sommer immer. Durch unsere vielen Kooperationspartner, ohne die ein Festival dieser Ausdehnung gar nicht möglich wäre, haben wir enge Kontakte zu allen unseren Spielstätten. Ob es nun Kulturvereine, Bürgermeister, Kirchenvorstände, Gastwirte oder Landfrauen sind – immer werden die Menschen vor Ort miteinbezogen. Und auch viele der Künstler kommen aus der Region und teilen sich die Bühnen mit international bekannten Interpreten, die letzte Woche noch in der Carnegie Hall aufgetreten sind und morgen im Concertgebouw Amsterdam ein Konzert geben werden.
Die Förderer und Sponsoren haben Patenveranstaltungen, die mit ihnen oder ihren Unternehmen verbunden sind, und so ist es am Ende ein Festival für die Region und mit der Region, was alle zu schätzen wissen.
Wie gehen Sie bei der Auswahl der Künstler vor?
Die Wege sind ganz verschieden. Wir arbeiten seit langen Jahren mit Agenturen, die uns gut kennen und Künstler vorschlagen, von denen sie meinen, dass sie in unser Programm passen. Viele Ensembles bewerben sich auch direkt bei uns. Über diesen Kanal erreichen uns täglich im Schnitt vier bis fünf Anfragen. Spannend ist auch immer die Sichtung von Programmen anderer Veranstalter außerhalb Nordhessens – auch hier finden sich viele schöne Ideen. Einige Programmvorschläge flattern über Social Media in die Planung, für die Kleinkunst und das Kindertheater besuchen wir Fachmessen und zu bestimmten Themen suche ich aktiv nach Interpreten. Im Laufe des Jahres fügen sich dann die Ideen zu Reihen und Themenschwerpunkten zusammen, erste Pläne werden auch mal wieder verworfen, für jeden Künstler will der richtige Ort gefunden werden und kurz vor Weihnachten steht dann die kommende Saison in groben Zügen.
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© Heiko Meyer
Aufgespielt – Das Eröffnungsfest | 08.06. | Calden | Schlosspark Wilhelmsthal
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© Mario Zgoll
Prinzessinnentag | 09.06 | Calden| Schlosspark Wilhelmsthal
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© Jürgen Maaßen
Blickfang – 12. Figurentheaterfestival | 19.06 | 18:30 Uhr: Leonce und Lena | Morschen | Kloster Haydau
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Blickfang – 12. Figurentheaterfestival | 19.06 – 22.06. | Mitmachaktionen für Kinder | Morschen | Kloster Haydau
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© Kristina Fiand
Kunstzone – Offspace Galerie | 21.06. | 22.06. | 27.07. | 10.08. | Vernissage und Ausstellung | Frielendorf, Werkhof Großropperhausen
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© Veerle Bastiaanssen
Nationaal Jeugdorkest (NL) | 13.08. | 19:30 Uhr | Kassel | Kongress Palais | Festsaal
Eine Zeitkapsel beamt Sie in jede beliebige Zeitepoche der Vergangenheit. Welches Konzert hätten Sie gern besucht?
Da gibt es einige Konzerte: Beim Auftritt mit Benny Goodman & his Orchestra 1938 in der New Yorker Carnegie Hall wäre ich zum Beispiel gerne dabei gewesen. Zurückbeamen würde mich gerne auch in das Konzert vom 21. März 1826 in Wien, in dem Beethovens Streichquartett op. 130 uraufgeführt wurde – der Rezensent war gar nicht angetan. Und ich habe es sehr bedauert, Elton John im Bergpark Kassel verpasst zu haben.
Die Festivalwochen sind mit sehr viel und langer Arbeit verbunden – jeden Tag einen übervollen Terminkalender. Wie schaffen Sie einen Ausgleich in Ihrer privaten Zeit?
Da gibt es gar keine spektakulären Pläne. Viel Bewegung ist wichtig, ich versuche möglichst oft mit dem Fahrrad zu fahren und gehe zweimal in der Woche ins Fitnessstudio. Ein kühles Glas Wein mit Freunden im Garten lässt einen nach den Konzerten wieder runterkommen. Und hin und wieder gelingt es mir auch mal, an einem Wochenende mit wenig Veranstaltungen zusammen mit meinem Mann in einen zweitägigen Mini-Kurzurlaub zu verschwinden.
Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit am besten?
Eigentlich gefällt mir alles an dieser Arbeit, sonst wäre ich nicht schon so lange dabei. Es dreht sich fast alles um Musik, ohne die, wie Nietzsche schrieb, „das Leben ein Irrtum wäre“. Der Kultursommer ist eine große Bühne, die viel Kreativität erlaubt und fordert, sowohl bei der Programmgestaltung als auch bei der Organisation. Ich habe ein wunderbares, ideenreiches und produktives Team. Meine Gesprächspartner sind eine bunte Mischung aus Künstlern aus aller Welt, Hausmeistern aus Nordhessen, ehrgeizigen Politiker, erfolgreichen Unternehmern, Feuerwehrleuten, Pfarrern, Vereinsvorsitzenden und vielen mehr. Herausfordernd ist es auch, die wirtschaftliche Situation im Griff zu haben, steuerliche Fallen zu umgehen, Sponsoren und Förderer immer aufs Neue zu überzeugen, und ich muss nie morgens um sieben im Büro sein. Ein Lieblingsjob also.
Was bedeutet Glück für Sie?
Glück ist immer ein Moment, der mich im Zustand völliger Zufriedenheit ergreift.
Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Zeit, wünschen Ihnen und Ihrem Team weiterhin eine so grandiose Energie und freuen uns auf unser Wiedersehen beim Eröffnungsfest „Aufgespielt!“