
© Thomas Müller
Tara Helena Weiß und Leonard Wilhelm in „Bucket List“
Allein seit Ende Februar hat das Deutsche Theater Göttingen drei Premieren auf die Bühne gebracht: „Nach dem Leben (After Life)“ etwa, für Marcel Lorenz „ein Inszenierungs-Kleinod, das ganz sanft in existenzielle Fragen hineinführt und großes Gespür für eindringliches, aber nie aufdringliches Spiel zeigt.“ In der Uraufführung von „Die ersten hundert Tage“ wiederum sieht das Kulturbüro Göttingen „ein sehr intimes und authentisches Theatererlebnis, das wie ein Weckruf wirkt. Ein Weckruf zum Stärken unserer demokratischen Werte.“ Und dann wäre da noch „Bucket List“, die große musikalische Produktion der aktuellen Saison und damit legitimer Nachfolger des Dauerbrenners „Der große Gatsby“: Die poetische Komposition aus Schauspiel, Tanztheater und Musik entführt in eine Welt, die viel über unsere Sehnsüchte, Ängste und Hoffnungen erzählt.
Natürlich ist dieses Trio auch im April zu erleben, doch rechtzeitig mit Beginn des letzten Spielzeitquartals erhöht das Haus am Wall nochmal die Schlagrate und bringt im April gleich zwei neue Produktionen auf die Bühne. Den Anfang macht am 05.04. „Ajax“ von Thomas Freyer. Gemeint ist weder der Fußballverein noch der Allzweckreiniger. Eine fleischgewordene Allzweckwaffe ist Ajax gleichwohl: Der stolze und ruhmreiche griechische Feldherr im langjährigen Kampf um Troja wird durch nicht enden wollende, blutige Kriegsgeschehnisse in den Wahnsinn und schließlich in den Suizid getrieben. Sein Schicksal verknüpft sich, über die Jahrhunderte hinweg, mit demjenigen von Michael. Der Familienvater bereitet sich auf einen Krieg in Europa vor, den er als Weltverschwörung sieht. Eindringlich befragt das Stück die Auswirkungen von Krieg auf persönliche und soziale Beziehungen und ermutigt dazu, aus der Betrachtung der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen.
Drei Wochen später wird einem Roman buchstäblich Beine gemacht: In der Bühnenfassung von Bastian Kraft erzählt „Mephisto“ vom ehrgeizigen Schauspieler Hendrik Höfgen, der im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zum Liebling der Herrschenden und zum Intendanten des Berliner Staatstheaters avanciert. Als die Nazis an die Macht kommen, arrangiert er sich nach anfänglichem Exil schnell mit den neuen Machthabern. Damit verrät er neben eigenen politischen und ethischen Idealen auch seine Freund*innen. Er gibt gänzlich dem Drang, ganz oben zu sein, nach – und wird so zum „Affen der Macht, zum Clown, zur Zerstreuung der Mörder“. Klaus Mann stellte in seinem gleichnamigen Werk Fragen nach persönlicher Integrität, nach Opportunismus und Widerstand, und danach, wie sich die Kunst zur Macht verhält.