
© Sylwester Pawliczek
Am Staatstheater Kassel war Sebastian Baumgarten von 1999 bis 2002 Oberspielleiter und und stellvertretender Operndirektor. Es folgten zahlreiche Inszenierungen in Deutschland und im Ausland und er wurde für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet. Nun ist er wieder in Kassel und probt im Musiktheater die Produktion „Faust“ – nach der Oper „La damnation de Faust“ von Hector Berlioz. Wir haben ihn während der Proben besucht, um mit ihm über seinen Arbeitsalltag, die aktuelle Produktion und seine Professur zu sprechen.
Im Dezember hast du deine Arbeit in Kassel wieder aufgenommen. Wie dürfen wir uns deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Der ist während einer Produktionsphase konstant und eng getaktet. Montag bis Freitag habe ich morgens 10-14 Uhr Probe, abends Probe 19-22 Uhr. Samstag nur vormittags. Dazwischen bereite ich mich vor und bin häufig noch in Zoom-Meetings in meiner Funktion als Professor in München oder für andere Projekte unterwegs. Dreimal die Woche bin ich morgens ab 6.30 Uhr anderthalb Stunden beim Sport. Als Ausgleich eine wichtige Zeit für mich.
Der Faust-Stoff und die Berlioz-Oper bilden die beiden zentralen Säulen der neuen Musiktheater-Stückentwicklung am Staatstheater Kassel, die Kiril Stankow und du gemeinsam realisieren werdet. Was ist das Besondere an eurer Zusammenarbeit?
Wir haben uns mit Kiril, aber auch mit Kornelius Paede (Dramaturgie), Felix Linsmeier (Arrangement) und Stefan Schneider (Sound-Artist) lange und ausführlich mit der Partitur und der Dramaturgie von Berlioz, „La damnation de Faust“ beschäftigt und versucht, die Besonderheiten der Komposition, die man heute nicht mehr wahrnimmt, neu herauszustellen, sie zu verstärken und ihnen dramaturgisch für unsere Interpretation auch etwas entgegenzustellen. Wir versuchen, diese Grand Opera an unsere Gegenwart anzubinden.
Der Einsatz eines Bewegungschors mit Kasseler Bürger*innen im „Faust“ – ein Novum?
Nein, das ist kein Novum. Aber es ist für mich in jeder Arbeit eine Bereicherung, mit Menschen zu arbeiten, die vor Ort leben und ihre Erfahrungen auch jenseits eines Theaterbetriebes in die Produktion einbringen.
Ist die „neue“ Raumbühne ANTIPOLIS, die die Grenze zwischen Bühnengeschehen und Publikum aufhebt und auf Interaktion und Teilhabe ausgerichtete Inszenierungen ermöglicht, eine Herausforderung oder ein Ansporn?
Beides. Sie legt die Zeit und den Ort fest, wo der Stoff stattfindet. Das kann man nicht umgehen. In der Vorbereitung hat mir diese konkrete Vorgabe aber geholfen, in den unendlichen Interpretationsansätzen, die für „Faust“ möglich wären, erste Entscheidungen zu treffen.

© Sylwester Pawliczek
Was ist das prägnanteste Merkmal deines Regie-Stils?
Die Welt um mich herum ändert sich permanent. Deswegen versuche ich, den Einsatz meiner Mittel immer wieder zu hinterfragen. Ich arbeite gern mit Menschen, die nicht aus dem Theaterkontext kommen. Aus der Kunst, aus der Architektur, aus der Musik. Das Ziel ist eigentlich Veränderung, nicht Stil.
Du bist seit 2013 Professor und Studiengangsleiter des Studiengangs Regie für Musik- und Sprechtheater und performative Künste an der Bayerischen Theaterakademie August Everding. Wovon partizipieren deine Studierenden?
Ich habe sehr unterschiedliche Inszenierungen im Sprechtheater, im Musiktheater und an Produktionshäusern realisiert. Sie können vielleicht von meinen praktischen Erfahrungen im Umgang mit diesen drei Systemen profitieren. Aber wir als Lehrende – das ist sehr wichtig – lernen ja auch von den Studierenden, von ihren Themen und ihren Haltungen. Auf der Probebühne nebenan arbeitet gerade eine Absolventin von uns. Das ist cool.
Eine Zeitkapsel beamt dich in jede beliebige Zeitepoche der Vergangenheit. Welcher Inszenierung hättest du gern beigewohnt?
Inszenierungen im Sinne der Interpretation gibt es ja erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Deshalb wäre ich gern bei den Aufführungen der russischen Avantgarde 1917-30 und einer Aufführung von „Law of remains“ von Reza Abdoh in New York Ende der 80er dabei gewesen.
Was bedeutet Glück für dich?
Das lässt sich in diesen politischen Zeiten schwer finden. Aber ich bin froh, wenn ich mal zu Hause in Berlin bin, nicht reisen muss und Zeit habe für die Menschen, die mir wichtig sind.
Wir bedanken uns ganz herzlich für deine Zeit, freuen uns auf unser Wiedersehen bei der Premiere und wünschen dir für den Endspurt alles, alles Gute – toi, toi, toi.
Sneak In: Montag, 17.02.2025, 19:00 Uhr, Opernhaus
Premiere: Samstag, 22.02.2025, 19:30 Uhr, Opernhaus
Weitere Termine: 26.02., 09.03. (16 Uhr), 21.03., 29.03., 04.04., 06.04. (18 Uhr), 15.04., 23.05. & 05.06.2025