
Foto: © Achim Frede
Ein Blick in die Landschaft führt uns ungeschminkt vor Augen, wie der Klimawandel unsere Wälder trifft. Die Folgen der Dürrezeiten sind unübersehbar: kahle Fichten, lichte Buchenwipfel, abblätternde Rinde, dürre Äste ... Die zunehmende Erwärmung wird auch dauerhaft das Gesicht der Wälder verändern, denn unter den Pflanzen und Tieren gibt es Verlierer und Gewinner. Forscherinnen und Forscher sind den Phänomenen auf der Spur. Auch mit Blick auf die werdende Wildnis im Nationalpark können wir vielleicht Antworten auf drängende Zukunftsfragen finden.
Hitze, Dürre, Waldbrand, Sturm, Starkregen und Flut sind bei uns angekommen. Die Bilder von den Überschwemmungen im Ahrtal und von sterbenden Wäldern mahnen zur Umkehr. Die Menschen sind besorgt. Auch in der Nationalpark-Region fragen Bevölkerung und Gäste vermehrt nach den Anzeichen und Folgen des Klimawandels. So erregte die zeitweilige Sperrung der Edersee-Randstraße wegen der Gefahren durch brechende Äste und Bäume große Aufmerksamkeit.
Gerade hat der Weltklimarat (IPCC) seine Prognosen korrigiert: Der von Menschen verursachte globale Klimawandel wird uns stärker und früher treffen als bisher gedacht. Alles Leben auf der Erde ist gefährdet. Wo dies enden wird? Noch kann die Menschheit das Schlimmste abwenden. Die Einsicht reift, dass wir nur im Einklang mit der Natur eine Chance haben, den Klimawandel zu begrenzen. „Natürlicher Klimaschutz“ heißt das Zauberwort. Wälder sind dabei in den Augen des Weltklimarats natürliche Verbündete. In Europa, das sich schneller erwärmt als der globale Durchschnitt, wird sich ihre Struktur und Artenzusammensetzung dauerhaft verändern. Das gilt als sicher. Wir brauchen daher Wälder, die damit zurechtkommen und möglichst viel Kohlenstoff speichern. Hier kommen die alten naturnahen Buchenwälder des Nationalparks ins Spiel.
Der Wandel unter den Bedingungen zunehmender Wärme und Trockenheit kann in ihnen gut beobachtet werden. Spannend sind Prognosen zu Veränderungen ohne Einfluss des Menschen. Achim Frede, Forschungsleiter im Nationalpark, sieht daher seine Aufgabe darin, die Situation und Entwicklung der Buchenwälder anhand von Klimadaten und Forschungsergebnissen näher zu analysieren und zu bewerten. Welche Potenziale haben natürliche Lebensräume und ihre Arten unter den Bedingungen des Klimawandels? Was können zukünftige Nutzungsstrategien in der Forst-, Land- und Wasserwirtschaft davon lernen? Seine Abteilung wird dabei von Experten der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt und des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie unterstützt.
In den Dürrezeiten der letzten Jahre sind demnach in Hessen mehr Bäume abgestorben denn je. Besonders die Fichte ist betroffen. Aber auch die Buche ist nicht unverwundbar. Dort, wo sie nicht im Schutz eines schattigen Waldes steht, brennt die Sonne ungehindert auf ihren glatten Stamm und den umliegenden Waldboden. Die Buche verdunstet jetzt mehr Wasser, als nachgeliefert werden kann. Wenn sie es nicht rechtzeitig schafft, ihre Blätter abzuwerfen, reißt der Wasserstrom zwischen Wurzeln und Krone und sie kränkelt. Zu erkennen ist der Überlebenskampf an einer zunehmend schütteren Belaubung, braunen Blättern, an „Sonnenbrand“ mit Rindenrissen und verdorrten Ästen in der Krone. So geschwächt, ist die Buche anfällig für Schäden durch Insekten und Pilze, die den Zerfall beschleunigen. Stürme haben leichtes Spiel. Wissenschaftler sprechen von einer Komplexkrankheit.
Eichen kommen mit dem Klimawandel relativ gut zurecht – vielerorts besser als Buchen. Dort, wo sich heute noch das Buchenmeer ausbreitet, könnten sie bald an Bedeutung gewinnen und Mischwälder bilden. So wie sie es seit Jahrtausen- den an den trocken-warmen Talhängen der Eder tun. Der Klimawandel gefährdet zudem die Vielfalt an Pflanzen und Tieren. Es gibt Klimaverlierer und Klimagewinner. Klare Verlierer sind Spezialisten, die an kühle und feuchte Lebensräume angepasst sind. Mit zunehmender Erwärmung versuchen sie nach Norden und in höhere Lagen auszuweichen. Doch in den Mittelgebirgen und speziell im Kellerwald gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten.
Die Berge sind hier einfach nicht hoch genug. Die Arten können daher für immer verschwinden. Besonders betroffen sind Lebewesen der Bäche und Quellen, die auf niedrige Wassertemperaturen angewiesen sind und lang anhaltende Trockenperioden nicht tolerieren. Dazu zählen Alpenstrudelwurm und Bachschotterwanze sowie verschiedene Köcher- und Steinfliegenarten. Auf der Gewinnerseite sind dagegen wärmeliebende Arten. Wespenspinne, Große Goldschrecke, Gottesanbeterin, Blaue Holzbiene und Feuerwanze breiten sich von Süden nach Norden und von tiefen in höhere Lagen aus.