© Carsten Herwig
Nach dem unverhofft großem Erfolg, den sein Projekt mit dem syrischen Sänger und Pianisten Aeham Ahmad mit sich brachte, widmet sich Edgar Knecht wieder seinem Trio. Jetzt eröffnet er mit seinem brandneuen Programm „Personal Seasons“ den Kasseler Jazzfrühling im Opernhaus.
Üblicherweise gilt der Prophet im eigenen Land nichts. Bei dem Kasseler Jazzpianisten Edgar Knecht verhält es sich anders. Als ihn die weltweite Fachpresse entdeckte und als einen der wichtigsten zeitgenössischen Pianisten adelte, rieb sich manch einer in Kassel verwundert das Kinn. Verwundert darüber, dass die Fachwelt so lange für diese Expertise gebraucht hatte. Knecht tourt durch die USA, er teilt sich die Bühne mit Stars wie Pat Metheney, John Scofield und dem Buena Vista Social Club und auch in Kassel füllt er die größten Häuser, um seine Alben zu präsentieren. Nicht schlecht für einen lokalen Spartenmusikanten.
Nach den Alben „Good Morning Lilofee“ und „Dance On Deep Waters“, auf denen der klassisch ausgebildete Pianist erstmals deutsche Volkslieder und zeitgenössischen Jazz auf raffinierte Weise zusammenbrachte, arbeitet das Edgar Knecht Trio derzeit an seiner dritten Platte. Auf „Personal Seasons“ widmet sich der 54-Jährige der reichen Stimmungswelt des inneren und äußeren Jahreszeitenzyklus’.
Die Idee zum Album kam ihm beim Wandern mit der Familie am Gardasee. Der schneebedeckte Gipfel des Monte Baldo im Blick, aber den Frühling schon ahnend. „Da kam mir sofort das Lied Es tönen die Lieder, der Frühling kommt wieder in den Sinn“, erinnert sich Knecht. Bald darauf macht er sich auf die Suche nach Volksliedern, die er als Grundlage für seine Stücke verwenden kann.
„Das Besondere an den deutschen Volksliedern ist deren Ambivalenz. Während die Texte oft sehr traurig und melancholisch sind, erklingen die Melodien in strahlendem Dur“, erklärt Knecht. Doch er verjazzt nicht einfach diese alten Melodien. Er ist kein Jacques Louisier deutscher Volkslieder. Knecht sieht sich als Erzähler, er nähert sich den Stücken oft vom Text her, das musikalische Thema streift er mitunter nur am Rande.
Dass er sich überhaupt als Jazzmusiker dem deutschen Volkslied widmet, hat ursächlich mit Schmerz und einer Reise nach Kuba zu tun. Vor zehn Jahren gastierte er als Solist beim Jazzfestival in Havanna. Nach seinem Gig zog er mit einheimischen Musikern durch die nächtlichen Bars, die Jazzclubs. Knecht war fasziniert vom Klang Havannas, vom typischen Sound aus Salsa und Schwermut, der an jeder Ecke zu hören war, einen Sound, den die Menschen von klein auf im Blut haben. Und ihm wurde schmerzlich bewusst, er kann so gut Salsa spielen wie er will, er wird nie ein so authentischer Musiker sein, wenn er sich nicht auch seinen eigenen Wurzeln stellt.
Personal Seasons
Frühling, Sommer, Herbst und Winter – das ist der gängige Jahreszeitenzyklus. Auf das Leben eines Musikers gemünzt heißt das: Komponieren, Proben, ein Album produzieren und anschließend unermüdlich Touren. Der Kasseler Klaviervirtuose steht gerade am Anfang eines neuen Zyklus’.
Das Album, das im Spätsommer erscheinen soll, war eigentlich für Sommer 2016 geplant. Zunächst machte ihm sein Umzug einen Strich durch die Rechnung, anschließend der unfassbare Erfolg, den Knecht mit einem Nebenprojekt einfuhr. Vor zwei Jahren lernte er den syrischen Sänger und Pianisten Aeham Ahmad kennen. Ahmad hatte kurz davor weltweit Aufmerksamkeit erlangt mit seinen auf Youtube veröffentlichten Auftritten in den Trümmern des Flüchtlingslagers Jarmuk. „Es war mir wichtig, ein politisches Statement zu setzen“, sagt Knecht: „Außerdem hat mich diese musikalische Herausforderung gereizt. Noch nie hatte ich mit einem Sänger zusammen gearbeitet.“ Ahmad und Knecht spielen ein Album ein, das mit dem Weltmusikpreis Creole ausgezeichnet wird, und gehen auf Tour. In diesem Jahr sind sie bei den Klaviertagen in Bad Wildungen zu Gast, bei den Jazztagen Darmstadt und sie touren durch Belgien und die Niederlande. Der Zyklus dauert noch an.
Erst in den letzten Monaten macht sich Edgar Knecht kontinuierlich an die Arbeit für sein neues Jazzalbum. Hierfür hat er wieder die Nacht für sich entdeckt. Dann verschanzt er sich in seinen Proberaum, im Erdgeschoss unter seiner Wohnung. Stundenlang lässt er die Finger über die Tasten fliegen, dann und wann steht er auf und notiert die Noten in ein auf dem Flügel stehendes Touchpad. Mit seinen musikalischen Mitstreitern Tobias Nolte und Rolf Denecke werden die Stücke schließlich in die endgültige Form gepasst. Für das Album konnte Knecht zudem den Trompeter Frederik Köster (Foto) gewinnen. Köster hat in den letzten Jahren alle wichtigen nationalen Jazzpreise abgeräumt.
Köster und Knecht, beide stammen aus dem Sauerland, sie wussten voneinander, ohne sich je kennengelernt zu haben. Das änderte sich, als Köster vor kurzem mit Trilok Gurtu im Theaterstübchen gastierte. Nach dem Gig unterhielten sich die beiden an der Bar und verabredeten sich zu einem gemeinsamen Projekt.
„Sonntagnacht habe ich das letzte Stück komponiert“, sagte Edgar Knecht, als FRIZZ ihn dieser Tage in seinem Proberaum auf der Marbachshöhe besucht hatte. Knecht saß am Flügel, er sah erleichtert aus, geradezu befreit, als sei der Stress, den eine Albumproduktion mit sich bringt, mit diesem Moment vorbei. Dabei beginnt nun erst der Aufwand. In den kommenden Wochen wird Knecht allzu häufig in seinem Proberaum hocken, wird die neuen Stücke proben, ehe es Ende Februar ins Studio geht. Und im März eröffnet das Edgar Knecht Trio mit seinem Jahreszeitenzyklus den Kasseler Jazzfrühling.
Edgar Knecht Trio & Frederik Köster, 8. März, 19:30 Uhr, Opernhaus Kassel. VVK: 20 €, Kartentelefon (0561) 109 42 22. Das Programm zum Jazzfrühling gibt‘s im Internet unter www.theaterstuebchen.de.